Mit dem Cabrio durch Berlin! Das ist wohl der Traum so manches Autonarren. Oder auch der eines jungen Menschen ohne das dafür ausreichende Kleingeld.
Dabei ist das doch profan. Aber sowas von! Um mal eine dieser unsäglichen Sprachsünden zu zitieren. Ein Allerweltstraum gewissermaßen.
Mit dem Cabrio unter Berlin! Das wäre doch mal was anderes, nicht wahr?
Und das geht! In Berlin gibt es nämlich nichts, was es nicht gibt. Nun, ob das stimmt, möchte ich nicht beschwören. Aber unter den Straßen von Berlin kann man tatsächlich mit dem Cabrio unterwegs sein. Nun, nicht allein und nicht auf eigene Faust, aber es geht. Mit der U-Bahn-Tunneltour der Berliner Verkehrsbetriebe.
Diese Tour ist eine beliebte Attraktion, die von der BVG saisonal angeboten wird. Meist in der Zeit zwischen April und Oktober. Mit einem Zug, dessen Waggons ganz im Stile eines Cabrios nach oben hin offen sind, wird man dabei auf einem umfangreichen Rundkurs durch Berlins U-Bahn-Netz kutschiert. DAS Erlebnis für alle U-Bahn-, Technik-, Unterwelt- und Tunnelfans!
Dafür allerdings Tickets zu bekommen, ist durchaus nicht ganz einfach, denn diese Fahrten sind außerordentlich begehrt – sowohl bei Berlinern als auch – natürlich – bei Touristen. Kurzfristig geht da meist gar nichts. Die Fahrten sind meist lange im voraus ausgebucht.
Dennoch war es mir gelungen, im September 2014 eine solche Fahrt mitzumachen. Ich hatte Fahrkarten für die erste von zwei Fahrten, die am 19. September 2014 veranstaltet wurden. Abends um 19 Uhr sollte es losgehen. Startpunkt war der Bahnsteig der U-Bahn-Linie U5 am Bahnhof Alexanderplatz. Der Zug mit den Cabrio-Waggons und je einer akkubetriebenen Lok vorn und hinten stand bereits auf Gleis 4, doch durften wir noch nicht einsteigen. So hatte ich genug Zeit, einige Aufnahmen von Zug und Bahnsteig zu machen.
Schließlich bat man uns, die Plätze auf den Waggons einzunehmen. Wie die Hühner auf der Stange saßen wir in zwei parallelen Reihen Rücken an Rücken nebeneinander; die einen blickten zur Wand, die anderen zum Bahnsteig. Dennoch hatte es keinen Sinn, sich um die Seiten zu streiten – während der Fahrt würden wir sowieso ein paarmal die Fahrtrichtung ändern. Daher hatte unser Zug ja auch jeweils vorn und hinten eine Lok.
Als die Fahrt dann losging, fuhr man mit uns – für einige durchaus überraschend – nicht die Strecke der U5 entlang, sondern direkt in deren Wendeanlage hinter dem Bahnhof hinein. In eine Sackgasse quasi. Die U5 hatte damals nämlich noch am Alexanderplatz ihre Endstation. Doch das Geheimnis lüftete sich schnell, was gleich die nächste Überraschung mit sich brachte: von eben dieser Wendeanlage zweigte ein Tunnel ab, in den es auch gleich hineinging. Dieser Waisentunnel genannte Verbindungsweg, der damals noch befahrbar war – heute ist er geschlossen und muß wohl abgerissen werden, nachdem man Wassereinbrüche festgestellt hatte, die sich nicht beheben lassen -, führte uns hinüber zur Strecke der U-Bahn-Linie U8. Kurz hinter der Spree, die er unterquert, trifft der Waisentunnel nahe der Chinesischen Botschaft auf den U8-Streckentunnel. Wir fuhren bis zur Heinrich-Heine-Straße, wo der erste der angekündigten Richtungswechsel stattfand, denn nun ging es in Richtung Wittenau. An der Jannowitzbrücke vorbei bewegten wir uns auf kurvenreicher Strecke zum Alexanderplatz zurück, den wir wenig später wieder erreichten – diesmal auf dem Bahnsteig der U8. Ohne Aufenthalt ging es weiter. Die Bahnhöfe Weinmeisterstraße, Rosenthaler Platz und Brunnenstraße zogen ebenso an uns vorüber wie die nachfolgenden, bis wir schließlich an der Osloer Straße angelangt waren. Auf der gesamten bisherigen und noch folgenden Fahrt hatten wir in den Tunneln außerordentlich gute Sicht, denn extra für unsere Tour hatten die netten Menschen von der BVG das Licht angelassen. So konnten wir all die Gleisanlagen, Tunnelwände und -decken, Kabelführungen und -schächte, Notausstiege und in ihnen aufwärts führenden metallenen Leiteranlagen in aller Ruhe im Vorbeifahren betrachten und da, wo wir langsamer fuhren, genau in Augenschein nehmen.
Hinter dem Bahnhof Osloer Straße fuhr man uns wieder in eine Wendeanlage. Ein erneuter Richtungswechsel, und dann ging es wieder in einen Verbindungstunnel hinein. Dieser trug naheliegenderweise den Namen Osloer Tunnel und führte uns hinüber auf die Strecke der U-Bahn-Linie U9, die hier an der Osloer Straße ihren Anfang nahm. Doch nicht einmal zwei Stationen weiter verließen wir sie dann schon wieder durch einen weiteren Seitentunnel, der mit seinem Namen Leopoldtunnel auf den nahen Leopoldplatz verwies. Durch ihn erreichten wir die Strecke der U-Bahn-Linie U6 und fuhren kurz darauf in den Bahnhof Seestraße ein. Auf dem mittleren von drei Gleisen kamen wir zum Stehen, denn hier sollte es eine Pause geben, wofür einige der Fahrgäste aufgrund dringend gewordener Bedürfnisse durchaus Dankbarkeit zu zeigen wußten. Wer so wie ich auf dem Zug blieb, hatte Gelegenheit, das bunte abendliche Treiben auf dem Bahnhof zu beobachten sowie links und rechts einfahrenden, haltenden und dann weiterziehenden U-Bahnen zuerst entgegen- und dann hinterherzublicken.
Als es schließlich weiterging, fuhren wir zunächst den Weg zurück, den wir gekommen waren. Durch den Leopoldtunnel ging es wieder auf die Strecke der U9, der wir nun weiter gen Süden folgten. Amrumer Straße, Westend, Birkenstraße hießen die Stationen, die nun an uns vorüberzogen. Schließlich durchfuhren wir den Bahnhof Zoologischer Garten – natürlich unter der Erde. Wie auch auf anderen Bahnsteigen zuvor schauten die eben noch gelangweilt blickenden Wartenden voller plötzlichem Interesse unserem an ihnen vorbeieilenden Sonderzug voller fröhlich winkender, behelmter Menschen hinterher. Was war das denn für eine bunte Truppe?
An der Berliner Straße, wo sich die Linien U7 und U9 kreuzen, wurde der Tunnel für uns zur Kathedrale, denn wir fuhren auf ein Mittelgleis, das sich stetig absenkte, so daß wir, wenn wir unsere Augen nach oben richteten, wo Säulen links und rechts den Graben, in den wir hinabfuhren, von den seitlichen Streckengleisen trennten, einen Anblick gewahrten, der an eine große Kirche erinnerte. Eine Tunnelkathedrale, fürwahr! An ihrem Ende verschwand unser Gleis in einem eigenen Tunnel – dem Berliner-Straßen-Tunnel -, unterquerte eines der uns bisher begleitenden seitlichen Gleise und schwenkte hinüber zur Strecke der U7, der wir nun in Richtung Rudow folgten. Am Mehringdamm sahen wir die U6 wieder, mit der sich die U7 einen Bahnhof teilt. Hatten die Haltepunkte bis hierher noch recht neuzeitlich gewirkt, war den nun folgenden anzusehen, daß sie bereits etwas älter waren. Kein Wunder, denn dieser Streckenabschnitt der U7 war früher eine Seitenlinie der heutigen U6.
Hinter dem Bahnhof Hermannplatz parkte man uns kurz auf einem Abstellgleis. Doch schon kurze Zeit später ging es in entgegengesetzter Richtung wieder in den Bahnhof zurück und durch diesen hindurch. Ein weiterer Verbindungstunnel, der unter dem einstigen Karstadt-Kaufhaus entlangführt und folgerichtig Karstadt-Tunnel genannt wird, brachte uns zur Linie U8 zurück, der wir nun folgten, bis wir den Bahnhof Heinrich-Heine-Straße ein weiteres Mal erreichten.
Nun begann das letzte Stück der Fahrt, das uns durch den Waisentunnel zurück in die Wendeanlage der U5 brachte, in der unsere Fahrt ihren Anfang genommen hatte. Kurz bevor wir sie erreichten, konnten wir noch einen Blick in eine weitere, vom Waisentunnel abzweigende Röhre werfen. Sie bildet die Verbindung zur U-Bahnlinie U2, die sie am Bahnhof Klosterstraße trifft, weshalb sie auch Klostertunnel genannt wird. Dieser verbindet nicht nur einfach zwei U-Bahnlinien miteinander, sondern stellt auch einen Übergang vom Netz der Kleinprofillinien zu denen der Großprofilstrecken her. Ersteres umfaßt die vier heutigen U-Bahnlinien U1 bis U4, die die ältesten, ab 1896 errichteten Strecken befahren. Als 1923 die erste Großprofillinie in Betrieb ging, deren Züge etwa 35 Zentimeter breiter als die ihrer Geschwister im Kleinprofil waren und sind, baute man alle nachfolgend geschaffenen U-Bahnstrecken aus Gründen der Beförderungskapazität in dieser Form. Damit ist klar, daß wir auf unserer Rundfahrt ausschließlich großprofilig unterwegs gewesen waren. Die Spurbreite beider Profile ist gleich, doch unterscheidet sich die Form der Stromabnehmer an den Zügen. Während im Kleinprofil die das Gleis begleitende Stromschiene von oben abgegriffen wird, geschieht dies im Großprofil von unten – wie bei der Berliner S-Bahn auch.
Diese Betrachtungen stellte ich natürlich nicht auf dem Cabrio-Waggon sitzend an. Hierfür war etwas nachträglich konsultierte Literatur über die Berliner U-Bahn notwendig und durchaus hilfreich. Unser Zug langte schließlich wieder auf dem Bahnsteig der U5 am Alexanderplatz an, wo ich glücklich und zufrieden ob der für mich als „altem“ Berliner hochinteressanten Rundfahrt ausstieg.
Mehr als zwei Stunden waren wir unter den Straßen Berlins unterwegs gewesen, was trotz des fehlenden Tageslichts ein überaus interessantes und fesselndes Erlebnis war!
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Am Nachmittag des 2. Juni 2018, einem Sonnabend, veranstaltete der Verein für die Geschichte Berlins e. V., gegründet im Jahre 1865, eine Führung der besonderen Art. Führungen durch Museen oder Ausstellungen jeglicher Art ist man gewohnt. Auch Stadtführungen kennt man zur Genüge. Wenngleich viele davon interessant sind, so sind sie doch meist nichts, was man außergewöhnlich nennen würde. Doch eine Führung über einen Bahnhof? Das gibt es nicht alle Tage. Als Eisenbahn-Liebhaber im allgemeinen und Freund der Berliner S-Bahn im besonderen war es keine Frage, daß ich mir das nicht entgehen lassen durfte.
Unter der überaus sachkundigen Führung von Sven Heinemann, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und Autor des Buches „Mythos Ostkreuz“ (VGB-Verlagsgruppe, Fürstenfeldbruck), der bereits mit seinem gleichnamigen Vortrag am 16. Mai 2018 auf das Thema eingestimmt und auf diesen Nachmittag neugierig gemacht hatte, wanderte ich mit den anderen Expeditionsteilnehmern runde zweieinhalb Stunden treppauf, treppab über den Bahnhof und durch seine nähere Umgebung. Dabei bewegten wir uns ausschließlich auf öffentlich zugänglichem Terrain: Bahnsteige, Straßen, Gehwege, Fußgängerbrücken, Treppen. Gelände also, das Jedermann jederzeit betreten und betrachten kann. Und auch wenn man als Berliner, täglicher S-Bahn-Benutzer oder einfach nur Interessierter meinte, den Bahnhof, auch wenn er in den letzten Jahren massiv umgebaut wurde, zur Genüge zu kennen, so wurde man binnen kurzem eines Besseren belehrt.
Lebendig und anschaulich ließ Heinemann vor dem inneren Auge die Geschichte des Bahnhofs aufleben, berichtete von den Vorgängerbahnhöfen, der Entstehung des Bahnhofs Stralau-Rummelsburg und seiner Entwicklung bis hin zum allseits bekannten und wenig geliebten Rostkreuz, auf die schließlich der große Umbau der letzten Jahre folgte, der leider nur wenig von der historischen Substanz des einstigen Ostkreuzes übrig ließ. Doch dieses Wenige hatte er akribisch aufgespürt und führte es uns vor Augen. Und was wir da im öffentlichen Raum zu sehen bekamen und entdeckten, bewies wieder einmal, daß man meist nur wahrnimmt, was man weiß. Originale Pfeiler des Bahnhofsdaches auf dem Bahnsteig D? Originalteile der (noch nicht völlig wiederhergestellten) Fußgängerbrücke über den gesamten Bahnhof? Welcher der Reisenden, die täglich diesen Bahnhof passieren, nimmt sie wahr? Und wer weiß eigentlich, daß die erwähnte Fußgängerbrücke den Namen ihres Architekten trägt und Brademannbrücke heißt?
All das und noch so vieles mehr erfuhren wir auf diesem überaus spannenden Rundgang. Und so manche Erinnerung an diesen Bahnhof, an Eigenartiges und heute Verschwundenes lebte auch in mir wieder auf und bescherte mir so manchen „Ach ja! – So war’s!“-Moment; – wie den der Erinnerung an den eigentümlichen Bahnsteig A, der zwar zwei Bahnsteigkanten besaß, an denen aber die Züge zweier verschiedener Linien hielten – an der einen die stadtauswärts über die Südkurve fahrenden Züge nach Schönefeld, an der anderen die aus Buch über die Nordkurve kommenden, die ins Stadtinnere wollten. Und die Züge der jeweiligen Gegenrichtung? Die hielten hier einfach nicht. Als Kind hatte mich diese Merkwürdigkeit stets fasziniert. Heute ist der Bahnsteig abgerissen, die Nordkurve ist mit ihm verschwunden und die Südkurve führt über eine vollkommen neue Brücke aus Beton, die nicht mehr rosten kann. Die sie überquerenden Züge halten nun hier gar nicht mehr – in beiden Richtungen. Das ist zwar eigentlich nicht im Sinne eines Bahnhofs, aber wenigstens ist jetzt Symmetrie hergestellt.
Doch nicht nur die Geschichte des Bahnhofs erzählte Sven Heinemann, sondern auch immer wieder kleine Geschichten. Wie die der Bewohner des südlichen Beamtenwohnhauses an der Südkurvenbrücke, des heute ältesten Gebäudes am Bahnhof Ostkreuz. Geschichten wie diese machen die Historie eines Ortes erst wirklich lebendig.
Bei dieser kurzweiligen Tour verging die Zeit wie im Fluge, und als sie zu Ende war, hatten wir viel erfahren und erlebt – und waren überdies um die Erkenntnis reicher, daß es, wie es der Vorsitzende des Vereins formulierte, nicht nur Stadtführer gibt, sondern auch Bahnhofsführer. Und davon hätten wir gern mehr, denn interessante Bahnhöfe gibt es in Berlin noch einige…
“Eine Durchsage für die Fahrgäste an Gleis 2! Der ICE nach Berlin Ostbahnhof hat heute 15 Minuten Verspätung! Grund ist…”
Ich höre gar nicht so genau hin. Entspannt sitze ich auf einer Bank auf dem Bahnsteig und warte auf meinen Zug. Draußen vor der Bahnhofshalle ragt der Kölner Dom in den grauen Himmel, aus dem gerade ein sommerlicher Regen herniederfällt. Auch er kann mich nicht aus der Ruhe bringen, denn das Dach der weit geschwungenen Bahnhofshalle hält ihn von mir fern. 15 Minuten. Was ist das schon. Ich hab’s nicht eilig.
Ich bin auf der Rückfahrt von Bonn nach Berlin, von der ich den kleineren Teil, die Fahrt von Bonn nach Köln, schon absolviert habe. Hinter mir liegen vier phantastisch schöne Tage. Vier Tage, die ich in anderen Welten verbracht habe. Vier Tage, die ich jetzt schon vermisse, während ich auf dieser Bank auf dem Bahnsteig am Gleis 2 sitze. Vorbei ist sie, die 26. FedCon, und der Con-Blues hat mich voll im Griff.
Doch viel Zeit bleibt mir glücklicherweise nicht, um ihm nachzugeben. Die angekündigten 15 Minuten Verspätung sind noch nicht vorbei, da fährt er ein – mein Zug. Ich steige ein, suche und finde meinen Platz, wuchte meinen Koffer hoch in die Gepäckablage und richte mich ein. Es dauert nicht lang und der Zug rollt an. Langsam gleitet vor dem Fenster der Bahnhof vorbei, der Dom, dann die große Brücke über den Rhein. Wieder beginnt es zu regnen, draußen ist alles grau. Passendes Wetter für einen Abschied. Und ich denke zurück…
Tag 1
(1. Juni 2017)
Es ist der Tag vor der Con. Anreisetag. Ich steige am Berliner Hauptbahnhof in den Zug, der mich auf die Minute pünktlich in Köln abliefert. Sieben Minuten habe ich zum Umsteigen. Fast zu wenig, denn ich stehe am Anfang eines Bahnsteigs, der voller Menschen ist. Und der nächste Abgang ist irgendwo in der Bahnsteigmitte. Dann mal los. Links, rechts, links, rechts – ich schlängle mich durch die Menschen, die alle viel mehr Zeit zu haben scheinen als ich. Hoffentlich bleibe ich mit meinem Koffer nicht irgendwo hängen. Da, endlich, die Treppe. Runter, links rum und die nächste Treppe wieder hoch. Der nächste Zug geht glücklicherweise gleich vom Nachbarbahnsteig. Auch hier ist die Treppe voller Leute. Als ich endlich oben ankomme, kommt der einfahrende Zug gerade zum Stehen. Ich steige erstmal irgendwo ein, und kurz darauf rollen wir auch schon los. Puh, das war knapp.
17 Minuten später bin ich schon in Bonn. Ich steige aus und mache mich auf den Weg zur U-Bahn. Oder Straßenbahn. Das ist hier alles eins. Als ich da ankomme, steht sie schon da. Na, das klappt ja heute alles wie am Schnürchen. Ein gutes Omen, denke ich. Kurz darauf bin ich dann am Ziel: im Bonner Maritim-Hotel. Hier findet sie statt, die Con. Und hier wohne ich auch.
Als ich an der Rezeption einchecke, betritt eine Frau mit einem kecken Hütchen auf dem Kopf die Hotellobby. Sie wird lautstark von einer Gruppe Leute, die in ein paar Sesseln sitzen, begrüßt. Ich schaue zu ihr hin und erkenne sie sofort: Chase Masterson ist da! Jeder Star-Trek-Fan kennt sie als Leeta aus der Fernsehserie “Star Trek: Deep Space Nine”. Sie ist in diesem – genauso wie im vergangenen – Jahr die Mistress of Ceremonies der FedCon. Sie hier zu sehen, versetzt mich gleich in Con-Stimmung. Fast hätte ich die Aufforderung des Rezeptionisten überhört, der noch etwas Geld von mir will – für irgendeine Gebühr, die die Stadt Bonn Hotelgästen abverlangt. Echt jetzt? Hm. Ach was soll’s. Ich laß mir die Laune nicht verderben. Er kriegt seinen Obulus, ich meine Schlüsselkarte – und wenig später bin ich in meinem Zimmer im ersten Stock.
Einen ausgepackten Koffer später bin ich wieder unterwegs nach unten. Den verbleibenden Spätnachmittag und Abend will ich noch für einen kurzen Abstecher in die Bonner Innenstadt nutzen. Ein kleiner Bummel durch die ausgedehnte Fußgängerzone des Zentrums, vorbei am Beethovenhaus, ein Spaziergang über den Rhein und schließlich ein gemütliches Abendessen in einem Restaurant, das “Im Stiefel” heißt, beschließen diesen Tag. Auf dem Rückweg ins Hotel grüble ich darüber nach, ob ein solcher Name für ein Restaurant, das auch Steaks serviert, wirklich so glücklich gewählt ist… Obwohl das Steak in Ordnung war.
Tag 2
(2. Juni 2017)
Weil die Con erst mittags losgeht, schlafe ich aus. Urlaub ist doch was Schönes. Frühstücken und ein kleiner Einkauf bestreiten den Vormittag. Getränke gibt’s zwar auch im Hotel, aber die Preise sind reine Phantasie, also astronomisch hoch. Da hole ich mir doch lieber Wasser im Supermarkt. Den finde ich im Ortszentrum von Bad Godesberg, das nicht sehr weit entfernt ist.
Am Mittag bin ich dann wieder zurück im Hotel. Zuerst muß das Wichtigste erledigt werden: die Anmeldung. Anstehen muß ich dafür glücklicherweise nicht – für Goldtickets gibt es einen Extratisch. In diesem Jahr scheinen allerdings nicht soviele verkauft worden zu sein wie sonst, denn ein handgemaltes Plakat verkündet in großen Buchstaben, daß noch welche verfügbar seien. Das ist neu – zumindest habe ich Vergleichbares in den Jahren zuvor nie bemerkt. Vielleicht ist die Schmerz- bzw. obere Preisgrenze für diese Tickets, die in den letzten zehn Jahren immer wieder einmal teurer geworden sind und mittlerweile bei 700 Euro liegen, wenn man sie gleich auf der Con für das nächste Jahr kauft, nun erreicht. Für den Preis gibt es zwar einen Platz in den ersten Reihen vor der Bühne – zumindest im Hauptsaal – und von jedem anwesenden Star ein Autogramm, aber trotzdem will das Geld dafür erst einmal aufgebracht werden.
Wie dem auch sei – ich zeige mein Ticket vor, bekomme meinen Con-Ausweis und mein obligatorisches Armbändchen, das ich die nächsten Tag nicht mehr ablegen darf, sowie eine Tasche mit allerlei Zeug darin. Das meiste ist nur Werbematerial. Ich behalte nur das Con-Programmheft und den Doctor-Who-Comic. Als Goldticket-Inhaber darf ich mir am Merchandise-Stand noch eine Tasse und ein T-Shirt aussuchen und ohne weitere Kosten mitnehmen. So kommt ein Star-Trek-T-Shirt in meinen Besitz, auch wenn mir eines der diesjährigen FedCon lieber gewesen wäre. Aber das scheint es nicht zu geben – jedenfalls finde ich keines. Ist wohl der Star-Trek-Merchandise-Lizenz zum Opfer gefallen, die die FedCon seit vergangenem Jahr hat. Irgendwie schade.
Dann schaue ich mich auf dem Con-Gelände um. Im Händler-Raum gibt’s wohl alles, was das Fanherz begehrt. Und noch mehr. Bücher, Comics, Filme. Stapelweise Autogrammfotos, mit und ohne Autogramme. Hunderte von T-Shirts, dazu Action-Figuren, Sammelkarten, Poster, Modelle von Raumschiffen, Hüte, Brillen, Kostüme – und natürlich auch jede Menge Klimbim. Sich hier zu fragen, wer das denn alles kauft und warum, ist müßig. Hier laufen jede Menge Fans herum, hier findet alles dankbare und vor allem glückliche Abnehmer. Auch einschlägige Verlage, Fernsehsender, Filmstudios und -vertreiber präsentieren sich und ihr Programm. Ein Paradies für Science-Fiction-Fans aller Art.
Was mich jedoch noch mehr interessiert, sind die Panels der anwesenden Schauspieler. Die Gründe, eine Convention wie die FedCon zu besuchen, sind vielfältig. Vielfach wird gesagt, den meisten Spaß an der Con mache es, andere Fans zu treffen, sein Fan-Sein auszuleben, Cosplay zu praktizieren, andere Leute kennenzulernen. Und natürlich Party zu machen. Nun, das mag für viele zutreffen. Meine Motivation ist eine andere. Für mich ist das Interessanteste an einer Con tatsächlich die Möglichkeit, die Stars zu treffen, sie live auf der Bühne zu sehen, ihnen zuzuhören, wenn sie von den Dreharbeiten, ihren Projekten erzählen, und so vieles rund um meine Lieblingsfilme, -serien und -stars zu erfahren – aus erster Hand sozusagen. Und natürlich werde ich dabei oft auch bestens unterhalten, denn unter den Schauspielern sind stets einige, an denen Komiker verloren gegangen sind. Das leben sie dann auf Conventions wie dieser aus.
Für all das nehme ich gerne die Reise in Kauf, dafür zahle ich gerne auch die nicht ganz kleinen Ticketkosten. Wo komme ich schon dazu, soviele Stars an einem Ort auf einmal zu treffen? Und meiner Autogramm-Sammelleidenschaft kann ich dabei auch noch nachgehen. Wenn es sich dann nebenbei ergibt, daß ich noch interessante Leute treffe – um so besser. Party und feuchtfröhliche Feiern bis tief in die Nacht – ach, die waren meine Sache noch nie. Und sind es auch hier eher nicht.
Und so finde ich mich alsbald im Hauptsaal ein, in dem die Panels der Stars stattfinden. An diesem ersten Tag höre ich zunächst Sasha Roiz zu, den ich aus der Serie “Grimm” kenne, dem anschließend Marina Sirtis aus “Star Trek: The Next Generation” folgt. Wer sie noch nicht auf einer Con erlebt hat, dem ist bisher definitiv etwas entgangen. Wie sie selbst sagt, ist sie das blanke Gegenteil ihrer Rolle der Counselor Troi. Ihre Panels sind legendär, in erster Linie deshalb, weil man hinterher Muskelkater vom Lachen hat, aber auch, weil sie definitiv kein Blatt vor den Mund nimmt. Wer ihr bei Twitter folgt, weiß das. Doch auf der Bühne ist sie gewissermaßen eine Naturgewalt. Hier auch nur ansatzweise etwas davon wiedergeben zu wollen, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, weshalb ich es gar nicht erst versuche.
Ihr folgt dann Hubert Zitt, der jedes Jahr auf der Con zwei seiner Vorträge hält, in denen er Science-Fiction-Serien und -Filme wissenschaftlich betrachtet. Das ist stets so unterhaltsam, daß mittlerweile stets der mehrere tausend Plätze umfassende Hauptsaal dafür notwendig ist, um alle Interessierten aufzunehmen.
Und dann ist es Zeit für meinen persönlichen Favoriten der diesjährigen Con: Matt Smith, der elfte Doctor Who, kommt auf die Bühne. Und was soll ich sagen – ich bin sofort begeistert. Absolut natürlich und fan-nah – sein Panel hat richtig viel Spaß gemacht. Und manches Mal meinte ich fast, der Doctor selbst stünde auf der Bühne, so nah aneinander sind Schauspieler und Rolle bei ihm.
Die Eröffnungszeremonie steht dann am Abend auf dem Programm. Klingt komisch, ist aber so. Die findet immer erst am Abend des ersten Tages statt, auch wenn vorher schon einige Panels gelaufen sind. Bis dahin sind die meisten Fans dann auch wirklich angekommen. Bei dieser Zeremonie kommen immer alle anwesenden Stars und natürlich auch die Vortragenden auf die Bühne. Viel Worte brauche ich darüber nicht zu verlieren, denn viel mehr passiert diesmal eigentlich auch nicht. Besondere Showeinlagen, wie es sie in den Vorjahren immer wieder einmal gab, sind dieses Mal offenbar nicht vorgesehen, und so gibt es auch keine. Trotzdem befeuert die “Opening Ceremony” die Vorfreude auf die nächsten drei Con-Tage.
Und damit ist mein erster Tag auch schon vorbei. Das sich anschließende Comedy-Panel mit Casper van Dien und Mark Dacascos lasse ich wegen meines mangelnden Interesses einerseits und einem starken Hungergefühl andererseits aus und widme mich lieber dem Abendessen.
Tag 3
(3. Juni 2017)
Der zweite Con-Tag ist der stressigste – zwar im positiven Sinne, aber dennoch. Zunächst einmal heißt es für mich: Aufstehen um sechs Uhr morgens. – Was? Wieso das denn? – Na, die Anmeldung für die Con im nächsten Jahr beginnt um 8 Uhr. Und weil die Plätze im Hauptsaal in der Reihenfolge der Anmeldung vergeben werden, muß sich, wer einen Platz möglichst nah an der Bühne haben will, so früh wie irgend möglich anmelden. Und das gilt mittlerweile auch für die Goldtickets. Außerdem möchte ich gerne um 10 Uhr mit der Anmeldung durch sein, denn dann findet das zweite Matt-Smith-Panel statt. Das will ich nicht verpassen. – Na und? Das sind doch zwei Stunden Zeit. Das reicht doch ganz sicher. – Könnte man meinen, ja. Aber ich kenne mich mittlerweile aus und bin daher auch nicht überrascht zu sehen, daß die Schlange, als ich mich um kurz nach sieben Uhr anstelle, gut und gerne schon 150 bis 200 Leute umfaßt. Die ersten stellen sich wohl immer schon mitten in der Nacht da an…
Glücklicherweise werden, als es um 8 Uhr dann losgeht, die Gold- und Platinticket-Anmeldungen in eine eigene Schlange gelotst. Das gibt es meines Wissens auch zum ersten Mal, ist aber eine hervorragende Idee. So stehen plötzlich nicht mehr eine dreistellige Anzahl Leute vor mir, sondern nur noch etwa dreißig. Und da beide Schlangen völlig unterschiedliche Ticket-Interessen haben und sich so gegenseitig auch nichts wegnehmen, gibt’s ja auch für niemanden einen Grund, sich dadurch benachteiligt zu fühlen. Dank dieser Maßnahme bin ich um 8.20 Uhr bereits angemeldet und habe plötzlich noch viel Zeit bis zu Matt Smiths Panel.
Als es dann soweit ist, ist es großartig. Ein Fan stellt eine Frage, die Matt bereits gestern einmal gestellt wurde. Er weist darauf hin. Als der Fragesteller sich entschuldigt, weil gestern noch nicht dagewesen sei, berichtigt ihn Matt. Nicht der Fan, sondern er habe sich zu entschuldigen, weil er gestern bereits dagewesen sei, so daß der Fragesteller ihn nicht erleben konnte. Und er beantwortet die Frage noch mal. Sehr charmant.
Vom nachfolgenden zweiten Vortrag Hubert Zitts entgeht mir der Anfang. Ich muß erst mal ein Autogramm von David Hasselhoff holen, dessen außerordentliche Autogrammstunde gerade eben angekündigt wurde. Glücklicherweise bin ich gleich unter den ersten, die anstehen und so schon nach zehn Minuten im Besitz meines Autogramms. Also schnell zurück zum Vortrag. Und der ist auch wieder toll. Es geht um Star Wars und die darin vorkommende Technik. Ist zwar nicht gerade mein Lieblingsfranchise, aber der Vortrag ist trotzdem unterhaltsam für mich. Danach muß ich leider aus dem Hauptsaal raus und mich in die nächste Autogrammschlange einreihen – diesmal für Matt Smith. Die wird in einen langen Hotelflur der ersten Wohnetage geleitet. Die Hotelgäste, die ihr Zimmer verlassen wollen, stehen also plötzlich in einer riesigen Menschenmenge, die vor ihren Zimmern herumlungert und den Flur entlang ansteht. Und Lärm macht. Natürlich. Da vermutlich aber sowieso fast nur Congäste im Hotel wohnen, gibt es damit wohl keine Probleme. Als aber mehr und mehr Fans eintrudeln und das Fassungsvermögen des Flurs nicht mehr ausreicht, beginnt eine kleine Umzugsaktion zumindest für den ersten Teil der Schlange. Hier merkt man allerdings, daß sich ziemlich viele Con-Veteranen unter den Fans befinden, denn alles geht geordnet vor sich und die in der Schlange Stehenden helfen sogar noch dem Conpersonal bei der Einweisung von Neuankömmlingen. Alle sind ziemlich entspannt, sogar dann, als sich der Beginn der Autogrammstunde auch noch um eine gute halbe Stunde verzögert.
Schließlich geht’s aber los, und weil ich’s erneut glücklich geschafft habe, ziemlich weit vorne zu stehen, bin ich auch alsbald dran. Als ich mein Autogramm hab, muß ich mich ziemlich beeilen, denn schon ist die Zeit ran für den Treffpunkt der Goldticket-Inhaber zur offiziellen Autogrammstunde mit allen anderen Stars. Als ich dort eintreffe und meine Unterlagen ordne, stelle ich mit Schrecken fest, daß ich den Zettel mit den Autogrammgutscheinen offenbar verloren habe. Weil jedes Goldticket ein Autogramm jedes anwesenden Stars einschließt, erhält man bei der Anmeldung einen solchen Zettel, auf dem der Name jedes Stars steht. Darauf werden dann die Namen der Schauspieler, deren Autogramm man sich holt, abgestrichen. Bei Matt Smiths Autogrammstunde hatte ich den Zettel eben noch vorgelegt, jetzt ist er aber weg. In Anbetracht der Tatsache, daß dieser kleine Zettel mehrere Hundert Euro wert ist und ich ohne ihn die Autogramme nicht bekommen werde, ist mir nun doch etwas flau im Magen.
Ich hetze zurück. Nein, bei Matt Smith ist der Zettel nicht liegengeblieben. Also weiter ins Con-Büro. Dort trage ich mein Mißgeschick vor und man reagiert sehr hilfsbereit. Ich soll zunächst zum Infostand gehen und nachfragen, ob jemand den Zettel dort vielleicht abgegeben hat. Falls nicht, soll ich wiederkommen. Dann würde sich schon eine Lösung finden, verspricht man mir. Ich laufe, so schnell es geht, zu besagtem Infostand und frage ohne viel Hoffnung nach. Hm, meint die Dame, sie schaue mal nach. Sie kramt in diversen Kästen, und als sie sich wieder umdreht, fragt sie mich, ob ich von dem Zettel schon Autogramme geholt hätte. Ich bejahe und sage ihr, welche. Daraufhin streckt sie mir – ich traue meinen Augen kaum – den Zettel entgegen. Wir vergleichen noch die darauf stehende Ticketnummer mit meinem Con-Ausweis und dann habe ich das gute Stück doch tatsächlich wieder in meinen Händen. Gibt’s sowas? Hätte ich den Glauben an die Menschheit endgültig verloren, jetzt würde ich wohl ein Stück davon wiederfinden. Ich danke hiermit ausdrücklich dem unbekannten ehrlichen Finder – oder der ebensolchen Finderin! Er oder sie hat mir sowohl die Autogramme als auch den Tag als auch die ganze Con gerettet.
Als ich ziemlich abgehetzt wieder am Treffpunkt für die Autogrammstunde ankomme, bin ich immer noch zugleich fassungslos und dankbar über soviel Glück. Die Umstehenden, die mein Mißgeschick mitbekommen hatten, beglückwünschen mich herzlich, und dann geht es auch schon los. Ich hole mir alle Autogramme, was bedeutet, sich bei jedem Star einmal anstellen zu müssen. Darüber vergeht der Nachmittag. Glücklich und zufrieden verlasse ich den Saal. Nun ist alles erledigt und ich kann das Folgende einfach nur noch auf mich zukommen lassen.
Da die Con ganz im Zeichen des 30. Geburtstags der Serie “Star Trek: The Next Generation” steht, folgen drei weitere Panels von Schauspielern, die in dieser Serie mitspielten: John de Lancie, Michael Dorn und Colm Meaney. Wobei letzterer in dieser Serie eigentlich nur eine Nebenrolle hatte, die erst in der nachfolgenden Serie “Star Trek: Deep Space Nine” zur Hauptrolle wurde. Auf Colm Meaney hatte ich schon seit meiner ersten FedCon gewartet, die, nebenbei bemerkt, die zehnte war. Jetzt, bei der 26., ist es endlich soweit. Er war mittlerweile der einzige Hauptdarsteller einer Star-Trek-Serie, den ich noch nie gesehen hatte (sieht man einmal von jenen ab, die leider nicht mehr unter uns weilen). Ich bin also dementsprechend glücklich und zufrieden.
Den Abschluß des Tages bildet dann für mich das Panel von David Hasselhoff. Warum er auf dieser Con ist und dann quasi auch noch als Stargast, hat sich mir im Vorfeld nicht so ganz erschlossen. Seine Rolle in “Guardians of the Galaxy 2” ging über einen Cameo-Auftritt nicht hinaus und “Knight Rider” ist eigentlich nur im allerweitesten Sinne eine Science-Fiction-Serie. Es gibt darin halt ein sprechendes Auto – in den Achtzigern. Aber reicht das, um als Science Fiction durchzugehen? Egal. Wie ich nun erfahre, hat er früher mal in einem Science-Fiction-Film mitgespielt, dessen Titel ich vergessen habe. Auf ihn angesprochen, bezeichnet er ihn als sehr schlechten Film und will von dem Fragesteller wissen, warum er sich den denn angesehen habe. Damit beweist Hasselhoff eine Selbstironie, die ich ihm gar nicht zugetraut hatte. Insgesamt bin ich von ihm angenehm überrascht. Ich weiß nicht, was ich genau erwartet hatte, aber einen derart aufgeräumten und sich selbst nicht zu ernst nehmenden The Hoff bestimmt nicht, auch wenn hin und wieder eine Spur übertriebenes Selbstbewußtsein durchschimmert und sein immerzu wiederholter Hinweis auf seine Comedy-Show “Hoff the Record” irgendwann etwas nervt. Trotzdem ist er insgesamt sehr unterhaltsam.
Tag 4
(4. Juni 2017)
An diesem Tag schlafe ich wieder aus. Er beginnt mit dem zweiten Teil der Autogrammstunde, wo ich ja nicht mehr hinmuß. Die vormittags laufenden Vorträge und Lesungen liegen nicht so auf meiner Linie – die, die es im Laufe der Con getan hätten, fanden leider immer gerade statt, wenn Schaupieler-Panels liefen, die ich unbedingt sehen wollte. Nun, alles kann man eben nicht haben.
So beginne ich den Tag erst mittags mit dem Panel von Chase Masterson. Als Mistress of Ceremonies finde ich sie wirklich zauberhaft. Überhaupt nicht marktschreierisch, moderiert sie sehr liebenswürdig. Pannen scheinen ihr wirklich nahezugehen, auch wenn die niemand übelnimmt. Sie ist sicher keine Moderatorin, die die Massen im Saal animiert und dadurch anheizt, aber mir gefällt gerade das sehr gut. Wenn jeder Gast und jedes Bühnenereignis angekündigt wird, als bekäme ich jetzt das Jahrhundertereignis schlechthin zu sehen, ist das nicht nur nach kurzer Zeit ermüdend, sondern auch dämlich. Schön also, daß Chase genau das nicht zur Grundlage ihrer Anmoderationen macht. Statt dessen liefert sie darin immer ein paar interessante Informationen über den angekündigten Gast, was mir schon allein deshalb besonders gefällt, weil sich die Convention-Macher diese im aktuellen Programmheft einfach mal gespart haben. Bis zum vergangenen Jahr gab es die dort immer auch zum Nachlesen.
In ihrem Panel erzählt Chase von ihrer Rolle und der Zeit bei der Serie “Star Trek: Deep Space Nine”, stellt die von ihr begründete Pop Culture Hero Coalition vor, mit der sie gegen Mobbing an Schulen vorgehen möchte und die ihr sehr am Herzen liegt, und singt auch ein paar sehr schöne Songs.
Jenna Coleman, die die Begleiterin des elften Doctor Who spielte, ist nach der Autogrammstunde im Hauptsaal auf der Bühne und mir ebenfalls sehr sympathisch. Leider mußte Matt Smith schon vorzeitig abreisen, so daß es nicht zu einem gemeinsamen Panel der beiden kommt. Das hätte ich sehr schön gefunden. Jenna wirkt ein wenig abgehetzt und müde – auch sie ist, wohl wegen anderer Verpflichtungen, nur zwei Tage auf der Con -, doch das tut ihrem Panel keinen Abbruch, in dem sie auf mich einen sehr netten und sehr freundlichen Eindruck macht.
Dann ist wieder Next-Generation-Zeit. Gates McFadden, Colm Meaney und Marina Sirtis kommen nacheinander auf die Bühne. Letztere erzählt, daß sie vor der letzten US-Wahl zu ihrem Mann gesagt habe, wenn Trump gewählt würde, müßten sie nach Großbritannien, wo sie geboren ist, umziehen. Als er gefragt habe, warum, habe sie gesagt, sie wolle nicht in einem Land voller Dummköpfe leben. Dann sei Trump gewählt worden, und sie habe schon überlegt, ihre Aussage wahrzumachen. Doch dann sei der Brexit gekommen…
Im anschließenden zweiten Panel David Hasselhoffs wird dieser von einem Fan gebeten, “I’ve been looking for freedom” einmal vollständig zu singen. Bisher war es bei jedem seiner Auftritte immer nur kurz als Auftrittsmusik eingespielt und dann ausgeblendet worden. Er macht das ganz offensichtlich gerne – und der Saal kocht. Laut mitklatschend singen die meisten lauthals mit.
Aber dann ist es Zeit für den wahren Höhepunkt des Tages: Das gemeinsame Panel aller sechs anwesenden Next-Generation-Darsteller: Gates McFadden, Michael Dorn, Marina Sirtis, LeVar Burton, Denise Crosby und John de Lancie. Es ist ein Fest! Am Ende können sich weder die Schauspieler auf der Bühne noch das Publikum im Saal vor Lachen halten, insbesondere als sie nach ihren Tricks, bestimmte Gefühle darzustellen, gefragt werden und John de Lancie eine Story vom Stapel läßt, wie er einst vom Drehbuch aufgefordert wurde, beim Blick auf eine Schauspielkollegin “smitten with love” zu sein, aber nicht gewußt habe, wie er das darstellen solle. Er habe dann eine Hand in die Hosentasche gesteckt, mit den Fingern ein Loch hineingerissen und dann… der Rest ist nicht so ganz jugendfrei, aber danach sei er auf jeden Fall “smitten with love” gewesen. Wäre Platz gewesen, hätten jetzt alle im Saal vor Lachen auf dem Boden gelegen. So krümmen wir uns nur lachend auf unseren Stühlen.
Der anschließende Kostümwettbewerb ist schon wieder der letzte Teil des Tages. Es sind einige sehr sehr schöne Kostüme dabei, die von ihren Trägern zu recht mit Stolz vorgeführt werden, haben sie sie doch zum größten Teil auch selbst gefertigt. Die vielen Stunden Handarbeit haben sich jedenfalls ausgezahlt – man sieht sie den oftmals perfekten Kostümen an.
Die Preisvergabe durch die Jury empfinde ich jedoch als Enttäuschung, denn den ersten Preis gewinnt mit einer Mischung aus Star-Wars-Stormtrouper und Karnevalsclown ein reines Spaßkostüm, das mit einigen der anderen hinsichtlich Perfektion, Detailliebe und Ästhetik für mein Empfinden wirklich nicht mal ansatzweise mithalten kann. Und wie aus dem Gespräch mit dem Kostümträger hervorgeht, hat er große Teile seines Kostüms auch nicht selbst hergestellt. Zugegeben, der Auftritt mit Buddies im Borat-Stil war der bei weitem witzigste, aber das allein reicht mir nicht. Nun, die Jury sieht das anders und so trägt heute Trash über Qualität den Sieg davon.
Tag 5
(5. Juni 2017)
Gates McFadden und Michael Dorn eröffnen in einem Doppelpanel den Tag. Ihnen folgt Denise Crosby in ihrem leider einzigen Solo-Panel. Es ist dafür um so interessanter, erzählt sie doch die Geschichte ihres frühen Ausstiegs aus der Serie “Star Trek: The Next Generation” und wie es kam, daß sie später ihre Rolle doch noch einmal aufnahm und sich daraus weitere Gastauftritte entwickelten.
LeVar Burton ist danach sichtlich schockiert, als er von einem Fan erfährt, daß es im Internet von Fans geschriebene Geschichten gebe, die seinen Charakter Geordie LaForge mit Data in eine romantische Beziehung bringen. Als er gefragt wird, wie er das finde und ob er solche Stories gerne verhindern würde, meint er, daß er es schön fände, wenn die Figuren aus der Serie bei den Fans weiterleben würden und diese ihre Phantasie spielen ließen. Er sei nicht zum Richter darüber bestellt, ob das, was daraus entstünde, nun gut oder schlecht sei. Das sollen mal die Leser entscheiden.
Das Ende der Con wird dann mit der Abschlußveranstaltung eingeläutet. Die Closing Ceremony beginnt mit einem sehr schönen Lied von Chase Masterson, gefolgt von einem Versuch eines Fans, mit einer auf die FedCon umgedichteten Version von “I’ve been looking for freedom” für Stimmung zu sorgen. Leider ist der Vortrag nicht gelungen genug, um diese aufkommen zu lassen. Nun, manchmal gehen Dinge auf Cons eben auch schief. Was aber dennoch zählt, ist der Mut, es versucht zu haben. Und Mut gehört für einen Auftritt vor wenigstens zweitausend Fans auf jeden Fall dazu.
Als am Ende alle Vortragenden und Darsteller noch einmal gemeinsam auf der Bühne stehen und sich verabschieden, wird endgültig klar, daß die vier Tage Con nun unweigerlich zu Ende gehen. Und bei der abschließenden kleinen Fotoshow mit Eindrücken dieser vier Tage kommt dann schon erste Wehmut auf. Nun dauert es wieder ein ganzes Jahr bis zur nächsten FedCon.
Ich verbringe den sonnigen Abend mit einem ruhigen Spaziergang und einem gemütlichen Abendessen in der Bonner Innenstadt. Nach den vielen bunten Eindrücken und dem ganzen Trubel der Con erscheint mir das als passendes Ende.
Epilog
Mein Zug ist nun kurz vor Berlin. Das Wetter hat sich die gesamte Fahrt über nicht wirklich geändert. Der Himmel blieb meist grau und manchmal war der immer mal wieder einsetzende Regen so stark, daß ich vor den Fenstern nicht mehr viel erkennen konnte. Doch nun, während ich dies schreibe, stiehlt sich ein Sonnenstrahl verschämt durch die Wolken und durch mein Zugfenster herein. Vielleicht will er mich daran erinnern, daß nach der Con auch immer vor der Con ist. Wenn ich es mir recht überlege, hat er damit wirklich recht, und so sage ich dem Con-Blues Lebewohl und widme mich der ersten Vorfreude… auf die kommende 27. FedCon 2018. Sind ja nur noch reichlich 340 Tage oder so.
Das Konzerthaus Berlin griff Weihnachten ein wenig vor, als es heute abend die Teile 1 bis 3 sowie 6 des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach zur Aufführung brachte. Der Abend begann für mich und andere Interessierte mit einer ausgezeichneten Konzerteinführung von Dr. Dietmar Hiller, seines Zeichens Dramaturg am Berliner Konzerthaus. Auf sehr mitreißende und Begeisterung vermittelnde Weise erzählte Dr. Hiller die Vorgeschichte der Entstehung des Weihnachtsoratoriums und wie Bach Teile seines eigenen, früheren Schaffens dafür wiederverwendete und umarbeitete. All das würzte er mit vielen Tonbeispielen, was uns Zuhörern das Werk lebendig nahebrachte und uns bestens darauf einstimmte. Eine großartige Idee!
Was mir zwar nicht völlig unbekannt war, was ich jedoch andererseits so genau auch wieder nicht wußte, war, daß die ersten drei Teile des Oratoriums für die Aufführung an den Weihnachtsfeiertagen entstanden, von denen es früher drei gab, während der letzte Teil dem 6. Januar vorbehalten blieb, an dem das Epiphaniasfest gefeiert wurde. In der Adventszeit hingegen waren zu Bachs Zeiten jegliche Aufführungen dieser Art völlig unüblich, sollte diese Zeit doch eine stille sein. Nun, das interessiert in dieser unserer durchkommerzialisierten, „Event“-süchtigen Zeit ja sowieso kaum noch jemanden. Heutzutage scheint Weihnachten ja längst das Fest des Kommerzes zu sein. Doch ich schweife ab…
Wenn diese Aufführung des Weihnachtsoratoriums also auch mitten in die stille Adventszeit fiel, so war dies doch ein – bezogen auf Bachs Zeiten – Tabubruch, an dem es wahrlich nichts auszusetzen gab. Hier wurde Kultur in Reinform geboten, und das in künstlerischer Perfektion, soweit das meine Laienohren zu beurteilen verstanden.
Neben den Solisten Gesine Adler (Sopran), Susanne Langner (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Tobias Berndt (Baß) sang der Thomanerchor Leipzig und spielte das Konzerthausorchester Berlin. Das weckte natürlich Erwartungen – und sie wurden, was mich betrifft, nicht enttäuscht. Ach, was sag ich – sie wurden übertroffen! Es war ein wirklich zauberhafter Abend, der jede einzelne Minute investierter Zeit mehr als wert war. Am Ende gab es lang andauernden Applaus für das gesamte Ensemble. Und was ich besonders schön fand: Musiker und Chorsänger, die im Laufe der Aufführung bei einzelnen Stücken besondere Leistungen bei herausgehobenen Passagen hatten erbringen müssen, wurden vom Publikum mit hochverdientem Extra-Applaus bedacht.
Alles in allem war dieser Abend eine schöne Einstimmung auf eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit – und um ein Vielfaches lohnender, als es jedes dem Kommerzwahn entrissene Geschenk sein könnte…
Langsam vergeht das Licht im Kinosaal. Die ewig gleiche Werbung rauscht vorbei, dicht gefolgt von den Filmtrailern, von denen mir nicht einer im Gedächtnis bleibt. Doch das spielt keine Rolle, denn dann geht es auch schon los. „Nach einer wahren Geschichte“ steht für kurze Zeit auf der ansonsten dunklen Leinwand, bevor die Buchstaben wieder verblassen. Der Film beginnt mit einer New Yorker Straßenszene, die sich unschwer in die Zeit der 1920er oder 1930er Jahre datieren läßt. Die Einblendung „1929“ konkretisiert die zeitliche Einordnung noch ein wenig. Die Kamera schwenkt nach oben und rückt eine Hauswand mit einem Firmennamen in den Mittelpunkt: „Charles Scribner’s Sons“.
Ein Mann an einem Schreibtisch, der ein Manuskript redigiert. Ein weiteres wird ihm auf den Tisch gelegt, viele hundert Seiten stark. Auf dem Deckblatt steht „O Lost“. Er beginnt zu lesen… im Büro, in der Bahn und auf dem Fußweg nach Hause, im Kleiderschrank, weil jeder andere Platz im Haus von der Familie in Beschlag genommen wird… so sehr fesselt ihn das Buch und seine wundervolle Sprache. Und mich auch, denn wir Zuschauer hören ihn lesen…
Der Film beginnt ruhig. Und ruhig und bedächtig entwickelt er seine Geschichte, die Geschichte des bei „Charles Scribner‘ Sons“ beschäftigten Lektors Maxwell Perkins und seiner großen Entdeckung Thomas Wolfe.
Thomas Wolfe? Wer war Thomas Wolfe? Ich gestehe: auf diese Frage hätte ich bis heute keine Antwort gewußt. Eine Bildungslücke? Mag sein. Doch dank ihr habe ich heute etwas Neues lernen können. Denn was sich hier auf der Leinwand entfaltet, ist ein Stück Literaturgeschichte. Eines, das mich um so mehr fesselt, als es mir vorher völlig unbekannt war. Namen wie Francis Scott Fitzgerald oder Ernest Hemingway waren mir natürlich bestens bekannt, von beiden habe ich auch schon das eine oder andere gelesen. Beiden war Maxwell Perkins als Lektor verbunden. Doch von Thomas Wolfe hatte ich bis heute noch nichts gehört.
Die Art, wie der Film seine Geschichte erzählt, mögen manche als langweilig empfinden, seine Bedächtigkeit und Ruhe als Langatmigkeit mißinterpretieren. Ich empfinde sie jedoch als Gewinn. Sorgfältig wird die Geschichte der Beziehung zwischen Perkins und Wolfe vor dem Zuschauer ausgebreitet, eine Beziehung, die sich von einer anfänglichen reinen Arbeitsbeziehung in langem Ringen um Wolfes Werke, um jeden Absatz, ja um jeden Satz, hin zu einer Freundschaft entwickelt; einer Freundschaft, die aufgrund der nicht eben einfachen Künstlerpersönlichkeit Wolfes ihre Höhen und Tiefen hat, die schließlich sogar bricht und doch letztlich überlebt. Ich mag diese Art Filme, ob wahr oder nicht, Filme, die Wert auf ihre Figuren legen, sich für sie interessieren und ihnen Raum geben, sich zu entwickeln. Die ihre Triumpfe, aber auch ihre Niederlagen, ihre Selbstzweifel, ihre Schwächen zeigen, ohne über sie zu richten. Es mag – im Sinne des Blockbusterkinos, nach dem Eventhungrige heutzutage verlangen – nicht viel los sein in diesem Film, und doch ist er spannender, mitreißender und um so vieles interessanter als mancher superteure Megafilm.
Man kann über Wolfe im Lexikon nachschlagen. Auch über Scott Fitzgerald und Hemingway wird man darin etwas finden. Doch diesem Film gelingt etwas, was ein Lexikon und auch Wikipedia nicht können: über die reinen Fakten und Lebensdaten hinaus die Geschichte hinter den Büchern zu erzählen. Und zu dieser gehört untrennbar auch der großartige Lektor, ohne den die Werke dieser Autoren (und vieler anderer) vielleicht nie so großartig geworden wären, wie sie es sind.
Und so hat mir der Film die vorhin gestellte Frage beantwortet. Wer war Thomas Wolfe? Auf jeden Fall ein Autor, dessen Bücher nun auf meiner Leseliste stehen.
Wieder einmal hat es mich in die Sneak Preview verschlagen, und diesmal gab es einen Film mit Keanu Reeves. „Knock, Knock“ der Titel, den man gleich mal im Englischen belassen hatte – vielleicht, weil „Klopf, Klopf“ dann doch ein bißchen albern geklungen hätte. Regie führte Eli Roth, dessen Namen ich zwar kannte, von dem ich aber bisher nur den Film „Cabin Fever“ gesehen hatte, der die Ehre hat, maßgeblich dazu beigetragen zu haben, daß Horrorfilme mir ein Graus sind.
Wie dem auch sei – in der Sneak ließ ich mich dennoch auf den Film, der geboten wird, ein, und so tat ich es auch bei diesem. Prinzipiell vermute ich erst einmal in jedem Film das Potential, mich positiv zu überraschen. Nun, dieser hatte es definitiv nicht. In meinen Augen ist dieser Film – trotz Keanu Reeves – nichts weniger als absolute Verschwendung von Lebenszeit. Zu keiner Zeit ist er auch nur ansatzweise spannend oder überraschend, und die Figuren sind so uninteressant, wie es nur geht.
Drei Hauptfiguren gibt es: einen Familienvater, der ein Wochenende lang allein zu Haus ist, und zwei junge Frauen, die am ersten Abend im strömenden Regen scheinbar zufällig an seiner Tür stehen und um Hilfe bitten, ihn verführen, anschließend abwechselnd behaupten, Teenager oder Erwachsene zu sein, ihn schließlich gefangennehmen und ihre Spielchen mit ihm spielen, die schnell völlig durchgeknallt werden und in Folter ausarten. Das allein ist eigentlich schon öde genug – ich frage mich immer, wieso man sowas für verfilmungswürdig hält, und wieso es dann Leute gibt, die das für ansehenswert halten. Bei dieser Handlung – die ich jetzt hier leider schon verraten habe, sorry – überrascht es auch nicht, daß der Film daraus nichts mehr machen kann, was mich als Zuschauer auch nur geringfügig interessieren würde.
Soweit wäre das alles ja vielleicht Geschmackssache. Aber was bitte will mir ein Film eigentlich sagen, der es nicht mal für nötig hält, daß ich als Zuschauer etwas über die Motivation und den Hintergrund der drei Hauptfiguren erfahre? Warum handeln sie, wie sie handeln? Dazu sagt der Film so ziemlich genau gar nichts. Ich hatte sogar den Eindruck, selbst die Filmemacher haben sich für ihre Figuren nicht die Bohne interessiert. Die Mädels sind einfach nur durchgeknallt, der Familienvater liebt zwar seine Familie, aber ist eben auch nur ein Mann, der sich angesichts der beiden leckeren Maiden einfach seiner Hormone nicht erwehren kann. Geht’s noch flacher?
Warum Keanu Reeves bei diesem Film nicht nur mitwirkte, sondern auch noch ausführender Produzent war, ist und bleibt mir ein Rätsel. Selten habe ich bei einem Film so früh schon auf die Uhr geschaut und mir gewünscht, er wäre endlich vorbei. Und als er es dann ist, kann ich die Auflösung wirklich nur als Witz bezeichnen – ok, die verrate ich jetzt mal nicht.
Meine Empfehlung: meiden. Der Film ist nicht mal interessant, wenn man sich langweilt.
Kaum hat der Film begonnen, wird mir klar: es geht um Musik. Okay, das ist gut. Wenig später erkenne ich: es geht um elektronische Musik. Okay, das ist nicht so gut. Ich mag keine elektronische Musik. Die haben Leute verbrochen, die einen Computer darauf programmieren können, hämmernde Rhythmen – Beats, heißt das wohl – in ohrenbetäubender Lautstärke aus Lautsprecherboxen dröhnen zu lassen und – weil das allein dann doch zu langweilig wäre – darüber irgendein mehr oder weniger einfallsloses Melodiebruchstück in gefühlter Endlosschleife zu wiederholen. Aber Musiker sind das doch jedenfalls nicht. Schade, dann wird das heute wohl nichts mit einem guten Film.
Moment… Warum nochmal gehe ich in die Sneak Preview? Richtig. Ich hoffe darauf, Filme zu sehen, in die ich in der festen Überzeugung, daß sie mich nicht interessieren, nie im Leben gegangen wäre. Filme, die mich dann überraschen. Filme, die großartig sind, die mich berühren, mich einen Abend lang unterhalten, die mich zum Nachdenken bringen. Dafür nehme ich das Risiko, eine Gurke zu erwischen, gerne in Kauf. Denn oft genug ist die Rechnung für mich schon voll aufgegangen und ich habe eine persönliche Kino-Sternstunde erlebt, wo ich sie nicht erwartet hätte.
Also beiseite mit den Vorurteilen!
Und was soll ich sagen: der Film hat mich durchaus überrascht. Nicht, weil ich ihn für einen ganz großartigen Film halte. Das wäre dann doch zuviel des Lobes. Was ich ihm zunächst einmal zugute halte, ist: er erzählt eine Geschichte. Es ist die Geschichte des jungen, aufstrebenden DJs Cole Carter, der das College ausgeschlagen hat, weil er Studieren für Zeitverschwendung hält. Der für seine Musik leben will und dafür arbeitet. Er lernt einen erfolgreichen DJ – James – kennen, der ihn fördert, weil er Talent in ihm erkennt. Und in dessen viel jüngere Freundin er sich verliebt. Zugegeben, das ist keine besonders innovative Geschichte. Sie trifft auch so überhaupt nicht meinen Lebensbereich, daß es mir anfangs etwas schwerfällt, mich auf sie einzulassen. Aber der Film schafft es trotzdem, mich mitzunehmen, so daß ich nach einer Weile wissen will, wie es weitergeht.
Was mich jedoch wirklich überrascht hat, ist etwas anderes. Und zwar die Tatsache, daß ich hier tatsächlich etwas lerne – über elektronische Musik, die ich bisher immer ge- und verschmäht habe. Es gibt diese eine Szene, in der James sich eines von Coles Stücken anhört und ihm erklärt, das einzig Lebendige darin sei das integrierte Sample eines einfachen Händeklatschens. Er müsse sich bei seiner Musik auf sich selbst besinnen, auf die natürlichen Klänge in der Welt um ihn herum hören, sich selbst und seine Wahrnehmung, das, was ihn selbst berührt, darin einbringen. Das läßt mich aufhorchen, denn es paßt so gar nicht zu dem Bild, das ich mir von dieser Art Musik gemacht habe. Im Studio des DJs stehen tatsächlich echte Instrumente herum, nicht nur Laptops und Lautsprecher. Und die werden dann auch gespielt. Wie daraus in Verbindung mit dem Computer Musik wird, das zeigt der Film auf eindrucksvolle Weise. Dabei zuzusehen und -zuhören macht mir richtig Spaß. Dem Film gelingt es darüberhinaus, die musikalische Entwicklung Coles darzustellen, von diesem Moment bis zu dem Augenblick, wo er den erhaltenen Rat tatsächlich versteht und es ihm gelingt, ihn umzusetzen.
Natürlich endet diese Geschichte mit einem grandiosen Auftritt Coles vor ganz großem Publikum bei einem Festival, das ist von Anfang an vorhersehbar. Doch diese Auftrittsszene ist richtig gut gelungen. Eingeschnittene Sequenzen zu der Musik, die er dort spielt, machen die Klänge und Geräusche, derer er sich bedient hat, für den Zuschauer erlebbar, lassen seine Musik lebendig werden. Und weil einige davon aus vorherigen Szenen des Films, aus dem Leben Coles und seiner Freunde stammen, wird mir plötzlich eines bewußt: es gibt gute elektronische Musik, und auf das Elektronische kommt es dabei gar nicht an – der Computer ist nur das Instrument. Es ist einfach gute Musik. Weil sie den Zuhörer anspricht. Weil sie eine Geschichte hat, die sie erzählt. Und weil sie eben nicht nur das Geräusch eines programmierten Computers, sondern ein Werk ihres Erschaffers ist, der einen Teil seiner Seele hineingelegt hat. Und so verwundert es mich nicht mehr, als ich mich dabei ertappe, wie ich den Rhythmus aufnehme und mitwippe und wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.
Es ist kein ganz großer Film, der mir da heute gezeigt wurde. Aber es ist ein Film, der mich berührt hat, und der mir etwas zeigte, was ich wegen meiner Vorurteile bisher nicht wußte. Vermutlich werde ich jetzt nicht gleich ein Fan elektronischer Musik werden. Aber ich werde ihr sicher auch nicht mehr so konsequent aus dem Weg gehen wie bisher; und in das eine oder andere aus diesem Genre einmal hineinhören.
Das Wort Techno fiel im ganzen Film übrigens nicht ein einziges Mal…
Der Tag beginnt gleich mit einem Höhepunkt. Für 9:30 Uhr ist ein Vortrag von Dr.-Ing. Hubert Zitt angekündigt. Und wie es sich für die FedCon gehört, ist das nicht irgendein Vortrag, sondern eine seiner Star-Trek-Vorlesungen. Als ich etwa fünfzehn Minuten vor Beginn den Saal betrete, ist er schon recht gut gefüllt, und als es dann losgeht, ist er voll. Kein Wunder, denn die Star-Trek-Vorlesungen sind mittlerweile schon regelrecht berühmt. In dieser soll es nun um „Fehler bei Star Trek“ gehen. Und wie es sich für einen Wissenschaftler gehört, dreht es sich dabei nicht einfach nur um Pannen beim Dreh oder Logikfehler in Handlung oder Szenenschnitt. Die kommen natürlich auch im Vortrag vor. Zitt stellt aber auch Fehler vor, die erst auffallen, wenn man sich mal die Mühe macht, ein wenig zu hinterfragen und nachzurechnen, was denn da in dem Techno-Babble in den Serien so alles dahergeredet wird. So stellt sich dann beispielsweise heraus, daß die Enterprise NX-01 in der fünften Star-Trek-Serie „Enterprise“ nur wenig mehr als 100 Kilogramm wiegt, daß Captain Kirk mit seiner Enterprise die Erde zerlegt haben dürfte, als er in ihrer Atmosphäre in den Warp-Flug ging und daß Andorianerinnen interessante körperliche Eigenschaften unter Adrenalin-Einfluß entwickeln. Das alles ist unterlegt mit zahlreichen Filmausschnitten und so unterhaltsam dargeboten, daß die neunzig Minuten wie im Fluge vergehen.
Ich wechsle in den großen Saal hinüber, wo Gates McFadden ihr zweites Panel absolviert. Es ist bis zum späten Nachmittag das letzte Panel an diesem Tag, denn heute findet die erste große Autogrammstunde statt. Und so wird nach Ende des Panels der große Saal umgeräumt. Tische werden aufgestellt, an denen die Schauspieler sitzen sollen, Stühle werden beiseitegeschoben und Gassen durch die Stuhlreihen geschlagen, in denen die Fans dann nach den Autogrammen anstehen können. Solange das geschieht, werden wir ausgesperrt.
Da im Preis des Gold-Tickets ein Autogramm eines jeden Stars bereits enthalten ist, werden die Gold-Ticket-Inhaber als erste in den Saal gelassen. Es muß ihnen ja garantiert werden, daß sie ihre bezahlten Autogramme auch erhalten. Insgesamt sind auf dieser Convention zweiundzwanzig Stars anwesend, mit dem Zeremonienmeister Garrett Wang sind es sogar dreiundzwanzig! Bis man da von jedem ein Autogramm geholt hat, braucht es natürlich seine Zeit. Das ist in der ersten viertel bis halben Stunde, die wir allein im Saal sind, natürlich nicht zu schaffen. Andererseits kann man natürlich auch nicht darauf warten, daß alle Gold-Ticket-Inhaber den Saal wieder verlassen haben, bis man alle anderen – Inhaber von Wochenendtickets und Tagesgäste – hineinläßt, denn da diese für alle Autogramme, die sie haben möchten, vorher Gutscheine kaufen müssen, muß natürlich auch ihnen garantiert werden, daß sie ihre Autogramme bekommen. Eine schwierige Situation für die Organisation und die Helfer, die die Fanmassen durch die Autogrammstunde dirigieren müssen.
Leider kommt es dabei zu einigen Ungereimtheiten. Als die ersten Tagesgäste und Wochenendticket-Inhaber eingelassen werden, habe ich gerade mal drei Autogramme zusammen. Erfreulicherweise lassen es sich einige Stars nicht nehmen, mit den Fans einige Worte zu wechseln und auch ausführlichere Widmungen zu schreiben. Aber das kostet natürlich Zeit. Und so haben sich alsbald an fast allen Tischen längere Schlangen gebildet. Wie sich herausstellt, werden wir Gold-Ticket-Inhaber an jeder Schlange vorgelassen, was für uns natürlich gut ist, da wir so relativ schnell zu allen Autogrammen kommen. Für die anderen Wartenden in den Schlangen ist das allerdings weniger angenehm und mit der Zeit sogar extrem ärgerlich, denn sie müssen warten und warten und warten und dürfen dabei zusehen, wie ein Gold-Ticket-Inhaber nach dem anderen an ihnen vorbeigeht und vorne eingelassen wird. Leider ist es nun von Schlange zu Schlange sehr unterschiedlich, wie die jeweiligen Helfer mit der Situation umgehen. An einigen Stellen übernimmt es der dort plazierte Helfer, die Fans gezielt zu sortieren und den Wartenden zu erklären, warum ein anderer jetzt vor sie in die Schlange treten darf. Oft kommt es jedoch vor, daß Helfer von der Regelung gar nichts wissen und erst einmal einen Vorgesetzten fragen müssen, wie mit den Gold-Ticket-Inhabern verfahren werden soll. Andere wissen zwar Bescheid und schicken uns vor, überlassen es dann aber uns, die unweigerliche Auseinandersetzung mit den anderen wartenden Fans zu führen, die sich verständlicherweise in Unkenntnis der Situation aufzuregen beginnen, warum permanent Leute vorgelassen werden und sie selbst warten müssen. Um die Situation zu entspannen, helfen sich an einigen Schlangen die Fans schließlich selber und organisieren ein Reißverschlußprinzip. Insgesamt ist das jedoch eine recht unerfreuliche Angelegenheit, denn auch uns Goldies bereitet es natürlich kein sonderliches Vergnügen, uns von anderen Fans anmachen lassen zu müssen. Das wünsche ich mir für die nächste Convention anders. Hier sollte die Organisation klare Regeln für den Ablauf vorgeben, die von den Helfern dann sowohl umgesetzt als auch kommuniziert werden.
Doch bei aller Kritik, die ich in diesem Punkt habe, muß ich andererseits den Organisatoren der Convention auch ein großes Lob aussprechen. Angesichts der vielen Teilnehmer – insbesondere an diesem Sonnabend, an dem sogar die Tagestickets ausverkauft sind und an die sechstausend Con-Besucher anwesend sein sollen – läuft diese Convention weitestgehend reibungslos ab und wird, wenn ich von mir selbst ausgehe, für alle Teilnehmenden zu einem unvergeßlichen Erlebnis.
Die Autogrammstunde beschäftigt mich eine ganze Weile. Im großen Saal gehe ich von Schauspieler zu Schauspieler, stelle mich an kurzen und mittellangen Schlangen an und nehme nur an sehr langen Schlangen mein Privileg, den Vorgang abkürzen zu können, in Anspruch. Als ich bei allen Schauspielern gewesen bin und den großen Saal verlassen kann, stelle ich fest, daß fast drei Stunden vergangen sind. Und ich habe noch nicht mal alle Autogramme zusammen! Einige Schauspieler hat man aus Platzgründen im Foyer plaziert. Und ein weiterer, der mir besonders wichtig ist, sitzt im Salon Moskau. Dorthin muß ich nun als nächstes, und ich habe nicht viel Zeit. Die Autogrammstunde dauert nur noch knappe sechzig Minuten und ich erwarte eine weitere lange Schlange.
Also heißt es für mich raus aus dem großen Saal, durch den Händlerraum und hinüber zum Salon Moskau, der sich im anderen Gebäudeteil befindet. Dort angekommen, stelle ich fest, daß ich mich ihm von der falschen Seite nähere. Das Ende des Zugangsflurs, an dem ich angelangt bin, hat man abgesperrt. Der Eingang ist am anderen Ende. Also wieder zurück, die Treppe hinunter, quer durch das Foyer und die dortigen Menschenmassen geeilt, eine andere Treppe wieder hinauf und wieder zum Salon Moskau. Uff. Ich bin außer Atem. Auf dem Flur stehen keine Leute. Nanu? Habe ich mich im Salon geirrt? An der Tür zum Salon Moskau steht ein Helfer und winkt mich heran. „Zu William Shatner?“ Ich nicke. „Dann schnell, er ist noch da!“ Damit schiebt er mich durch die Tür und in den Raum. Auch dort keine Schlange. Ich habe Gutscheine sowie Foto und Buch, die ich signieren lassen will, noch gar nicht in der Hand. Trotzdem riskiere ich erstmal einen Blick zum Tisch. Tatsächlich, da sitzt er. William Shatner. Daß ich das noch mal erleben… Ein weiterer Helfer ruft mir zu, ich solle mich beeilen. Also das ist mir wirklich noch nie passiert – in all den Jahren, die ich jetzt schon zur FedCon fahre, nicht. Ich als Fan, der sonst überall anstehen muß, soll mich beim Abholen eines Autogramms beeilen! Sachen gibt’s.
Hektisch krame ich die Gutscheine hervor und lege das Buch auf den Tisch. Dann das Foto. Noch habe ich es nicht ganz aus der Mappe gezogen, da liegt das Buch mit Autogramm schon wieder vor mir. Jetzt schnell das Foto hingelegt. Im Nu hat Shatner das Autogramm draufgeschrieben, nickt mir kurz zu – und dann werde ich von einem weiteren Helfer auch schon wieder rausgewunken. Insgesamt hat das Ganze keine zwei Minuten gedauert. Verrückt. Eine Widmung habe ich weder im Buch noch auf dem Foto, aber das war vorher bekannt. Keine Widmungen, keine Unterhaltung, keine Fotos. Eigentlich schade. Aber ich ärgere mich auch nicht – manche Dinge sind einfach, wie sie sind. Und auch wenn gerade eben so gar kein Andrang war – wie ich später erfahre, war das die meiste Zeit an diesem Sonnabend und am folgenden Sonntag deutlich anders. Ich habe einfach Glück gehabt, daß ich nicht warten mußte. Die Autogramme im Foyer kann ich mir nun schon wieder ganz entspannt abholen, denn ich habe ja immer noch fast eine ganze Stunde Zeit…
Jetzt steht Essen auf dem Plan. Seit einigen Jahren spare ich mir den Erwerb der Essenspakete, die einen berechtigen, Mittag und Abendbrot im Restaurant im Hotel einzunehmen. Da diese Mahlzeiten zu festgesetzten Zeiten stattfinden, verpaßt man dadurch oft genug ein Panel, daß man sich eigentlich ansehen wollte. Zusätzlich werden immer noch an ein oder zwei Ständen im Foyer kleinere Mahlzeiten angeboten, die man gegen Essensmarken, die vorher zu erwerben sind, bekommt. In den vergangenen Jahren war das für mich immer mehr als ausreichend. Hier gab es kleine warme Speisen – Burger, Pizza, Nudelgerichte und auch einiges Gesündere. Diesmal hat man das Angebot allerdings stark zurückgenommen, so daß es mir schon sehr schwerfällt, mit dem Essen auszukommen. Es sind diverse Baguettes und Wraps verfügbar, auch Kuchen gibt es und Salate, aber so gut wie keine warmen Speisen mehr, sieht man einmal vom Cheeseburger ab, von dem alleine aber auch niemand satt werden kann. Liebe Organisatoren, solltet Ihr das hier zufällig lesen: Das war die Jahre zuvor deutlich besser!
Für den Rest des Tages – ja eigentlich sogar der ganzen Con – ist mir nun Entspannung sicher. Ich muß nichts mehr erledigen und habe alles erworben, was ich haben wollte. Von jetzt an kann ich mir ganz in Ruhe die Panels ansehen, die mich interessieren, durch die Räume bummeln, mir die ausgestellten und angebotenen Dinge ansehen und mir die Zeit vertreiben. Damit beginne ich auch gleich und schlendere durch das Foyer des Hotels und beobachte die Fans. Der Sonnabend ist immer der meistbesuchte Tag auf der Convention, da dann auch die meisten Tagesgäste kommen. Und so nutzen viele Fans diesen Tag, um ihre Kostüme zu präsentieren. Viele davon sind in liebevoller Arbeit in den Monaten vor der Convention selbstgemacht worden, und fast alle sehen sensationell aus. Zuerst fallen mir drei Weeping Angels aus der Serie „Doctor Who“ auf. Geniale Kostüme, wirklich täuschend echt gemacht. Und die klassische Pose dieser Wesen haben die drei jungen Damen perfekt drauf. Ein paar Meter weiter begegnen mir Lara Croft und Wolverine, dahinter piepst ein R2D2 vor sich hin und rollt durch die Menschenmenge. Darth Vader keucht schwer atmend an mir vorbei, ein Borg-Pärchen stellt sich für ein Foto in Pose. Drei pelzige Wesen mit merkwürdigen Metallmasken kreuzen meinen Weg ebenso wie zwei Na’vi aus dem Film „Avatar“ und eine Gruppe Wraith aus „Stargate Atlantis“. Bei letzteren habe ich fast das Gefühl, es seien Originalkostüme aus der Serie, so gut sind die Kostüme und das Make-Up gestaltet. Nicht bei allen Kostümen weiß ich, was sie darstellen, aber sie anzusehen, macht bei fast allen einen riesigen Spaß. Es gibt allerdings auch einige Liebhaber jeglicher Arten von Uniformen. Warum es so großen Spaß macht, in voller Montur mit schweren Helmen und riesigen Waffen-Attrappen durch die Gegend zu stampfen, kann ich persönlich nicht recht nachvollziehen. Auch an den kostümierten Fans fällt mir daher der Unterschied zwischen Star Trek und manch anderer Science-Fiction-Serie wieder stark ins Auge – die verkleideten Star-Trek-Fans sehen bei weitem nicht so militaristisch aus.
Und dann ist es plötzlich schon wieder 17 Uhr und ich sitze im ersten Panel des Abends. Und dieses ist ein lang erwartetes, denn endlich ist es soweit: William Shatner kommt auf die Bühne. Und dieses Mal bringe ich den Gedanken zu Ende: Daß ich das noch mal erleben darf! Mister Star Trek himself. Und er ist einfach großartig. Die 81 Jahre sieht man ihm überhaupt nicht an. Die ganze Zeit läuft er auf der Bühne auf und ab, kaum, daß er sich mal auf dem Stuhl, den man ihm hingestellt hat, niederläßt. Er beantwortet die Fragen der Fans, erzählt aus seinem Leben und seiner Schauspielerkarriere. Als er gefragt wird, was er von dem letzten Star-Trek-Film halte, findet er ihn großartig – für seine Zeit. Als er ihn mit den ersten sechs Filmen vergleicht, in denen er selbst Captain Kirk verkörperte, stellt er fest, daß damals mehr Wert auf die Handlung, die Beziehungen zwischen den Charakteren gelegt wurde, während heute die Handlung stärker in den Hintergrund tritt. Heute beeindrucken Filme mehr durch ihre Spezialeffekte. Ich kann ihm da nur recht geben, weswegen mir die früheren Star-Trek-Filme auch deutlich besser gefallen als die „modernen“.
Die Stunde mit Shatner verstreicht wie im Fluge. Da der Andrang der Fans so groß ist, daß gar nicht alle in den großen Saal passen, wird das Panel per Video in den kleineren Saal übertragen. Für die Fans, die nur dort untergekommen sind – meist Tageskarteninhaber – ist es natürlich extrem schade, daß sie ihn nicht das ganze Panel über in Person erleben können. Shatner läßt es sich aus diesem Grunde auch nicht nehmen, die ersten zehn Minuten im kleinen Saal vorbeizuschauen und die dortigen Fans zumindest zu begrüßen. Eine schöne Geste.
Als Shatners Panel zu Ende ist, folgt ihm Richard Dean Anderson auf der Bühne. Wieder stellen Fans Fragen, wieder gibt es herzlich viel zu lachen. Diese beiden Schauspieler unmittelbar nacheinander zu erleben – das ist ein Abend, wie er kaum noch zu toppen sein dürfte. Da verläßt kaum einer den Saal.
Zwischen diese und die nächsten beiden Panels hat man den diesjährigen Kostümwettbewerb gequetscht. Eigentlich ist das immer ein großes Ereignis, das alle im Saal mit Freude erwarten. Immerhin treten hier Fans auf der Bühne auf und präsentieren ihre Kostüme in einem Wettbewerb mit verschiedenen Kategorien. Während einige ihre Kostüme einfach vorführen, haben andere zusätzlich noch kleine Aufführungen, Shows oder Sketche einstudiert, die sie nun den anderen Fans im Saal darbieten. Vieles gelingt, manches geht schief – doch immer steckt viel Herzblut und Liebe in den einzelnen Auftritten. Schade, daß dieses Jahr kaum Zeit für den Wettbewerb übriggeblieben zu sein scheint. So wird der Eröffnungsakt ans Ende gestellt, die kleine Show, die normalerweise die Beratungszeit der Jury überbrückt, entfällt gleich ganz und wird uns für das nächste Jahr versprochen. Und eine Siegerehrung gibt es am Ende des Wettbewerbs auch nicht mehr. Die verlegt man in die Closing Ceremony am Sonntag, wo sie dann jedoch nur auf eine schnelle Fotoshow zusammengestrichen wird. Die Preisträger können sich ihren Preis am Bühnenrand abholen.
Liebe Organisatoren: so sollte der Kostümwettbewerb bitte nicht nochmal abgewickelt werden. Die Convention soll doch ein Fan-Treffen sein. Also räumt den Fan-Aktionen bitte auch wieder den gebührenden Platz ein! Dafür können wir es auch verkraften, wenn es einen Vortrag oder einen Star-Gast weniger gibt. Euer Angebot in diesen Bereichen ist bereits erfreulich groß, das müßt Ihr nicht auf Kosten der Fan-Aktionen erweitern.
Nach den letzten beiden Panels des Tages, von denen das erste Jonathan Frakes gehört und das zweite Joe Flanigan und Kavan Smith (Evan Lorne aus „Stargate Atlantis“), die ihres gemeinsam bestreiten, ist dann dieser dritte Convention-Tag vorbei. Als ich den Saal danach verlasse, stelle ich fest, daß im Foyer das Champions-League-Finale auf großer Leinwand übertragen wird. Doch ich habe nicht das Gefühl, dabei etwas verpaßt zu haben, und so bleibe ich auch nicht, um mir das Ende anzusehen. Irgendwie bin ich überhaupt nicht in der Stimmung für Fußball, sondern gerade auf einem ganz anderen Planeten. Und Bayern verliert das Spiel dann ja sowieso…
20. Mai, 12 Uhr.
Der letzte Con-Tag bricht schon wieder an und beginnt für mich etwas später. Am Vormittag finden wegen des zweiten Teils der Autogrammstunde keine Panels statt. Und da ich noch am selben Abend wieder nach Hause fahren muß, nutze ich den Vormittag, meine Sachen zu packen und meine Angelegenheiten im Hotel zu regeln. Als alles glücklich erledigt ist, ziehe ich mit Sack und Tüten zum Maritim-Hotel, wo ich meinen Rucksack in der provisorisch eingerichteten Garderobe abgebe. Von da geht es direkt zum Vortrag „FedCon – Behind the Scenes“, der mein Interesse allein schon dadurch geweckt hat, daß die Vortragende Nessi ihn in der Opening Ceremony mit den Worten ankündigte: „Ich hoffe, Ihr kommt alle zu meinem Vortrag. Ich bin auch schon sehr gespannt, was ich da erzählen werde.“
Und dieser Ankündigung entspricht der Vortrag dann auch ziemlich exakt. Nach ein paar Begrüßungsfolien und einer Vorab-Inhaltsübersicht endet er auch schon wieder – zumindest, was die Folien angeht. Das jedoch wird auf eine Weise vorgetragen, daß der Saal bereits da vor Vergnügen aus dem Häuschen ist. Von da an geht’s in direkter Improvisation weiter. Nessi präsentiert Fotos und Geschichten von der Vorbereitung der Con, die – bei allem Ulk und Vergnügen, die es zwischendurch gibt – einen schönen Einblick geben, wieviel Arbeit aller Beteiligten in der Vorbereitung und Durchführung einer solchen Mammut-Veranstaltung steckt, die uns Fans alljährlich soviel Spaß macht. Dafür an alle an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön.
Und dann geht es in die letzte Panel-Runde für diese Convention. Den Anfang macht Felicia Day mit ihrem zweiten Panel. Ihr erstes hatte ich leider verpaßt, da ich da dem Vortrag von Hubert Zitt den Vorzug gegeben hatte. Mir bleibt sie bei dieser Con vor allem mit zwei Dingen in Erinnerung: erstens scheint es kein Computerspiel zu geben, das sie nicht kennt und bereits selbst gespielt hat. Und zweitens ist sie mit weitem Abstand die Person mit den kreativsten Art und Weisen, auf einem Stuhl zu – nun ja – sitzen.
Direkt im Anschluß kommt noch einmal Walter Koenig auf die Bühne, diesmal begleitet von Garrett Wang, der das Panel gemeinsam mit ihm bestreitet und zu Beginn lauter Dinge vorstellt, die ihm Fans auf der Convention geschenkt haben. Koenig steuert einige trockene Kommentare bei, die zum Lachen reizen. Garrett Wang erzählt eine unglaublich komische Geschichte, wie er nach sechs Jahren Arbeit an der Serie „Star Trek Voyager“ herausfinden mußte, daß seine Figur „Harry Kim“ Chinese war und nicht Koreaner, wie er bis dahin immer gedacht hatte. Für seine Entdeckung, daß beide – Walter Koenig und er – praktisch den gleichen Familiennamen haben, da Wang auf chinesisch wohl auch König bedeutet, erntet er von seinem Bühnenpartner jedoch nur einen skeptischen Blick.
Walter Koenig äußert sich auf die Frage eines Fans bezüglich seiner Meinung über den letzten Star-Trek-Film in ähnlicher Weise wie William Shatner tags zuvor, nämlich daß sich die Art des Filmemachens stark verändert habe. Er bemerkt, daß in früheren Filmen mehr Wert auf die emotionalen Beziehungen der Figuren zueinander gelegt wurde und daß so beispielsweise bei „Star Trek 2 – Der Zorn des Khan“ der Höhepunkt des Films die emotionale Schlußszene mit Spocks Tod ist. Heute jedoch – und dafür sei der letzte Star-Trek-Film ein gutes Beispiel – stehen emotionale Höhepunkte, wenn sie denn vorhanden sind, irgendwo am Anfang oder in der Mitte des Films. Beispielsweise sei dies im letzten Star-Trek-Film die Szene, in der Kirks Vater stirbt. Der Höhepunkt des Films habe hingegen eigentlich nicht viel mit den Figuren zu tun, sondern werde von dem abschließenden Showdown voller Spezialeffekte gebildet.
Beide – Wang und Koenig – bekommen viel Beifall, als sie schließlich ihr Panel beenden. Ihnen folgt – mit stehenden Ovationen begrüßt – William Shatner auf der Bühne, der nun sein zweites Panel bestreitet. Und auch das ist wieder voller interessanter Antworten Shatners auf Fragen der Fans. Beeindruckend finde ich dabei seine Bereitschaft zur Selbstironie und dazu, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Als eine junge Frau ihn beispielsweise nach seiner Motivation fragt, Musik zu machen und Alben zu veröffentlichen, wo er doch – ihrer Meinung nach – eigentlich gar nicht singen könne, tut er völlig überrascht und fragt sie, wie sie denn dieses seiner Geheimnisse bloß entdeckt habe. Und dann antwortet er ihr mit den Worten: „You’re right, I can’t sing. But I perform the songs.“
Die Frage eines anderen Fans nach seinem Lieblingsfilm beantwortet er mit „Star Trek V“. Als einige im Saal anfangen zu lachen, betont er, daß er das durchaus ernst meine und er würde uns auch erklären, warum. „Star Trek V“ sei der Film, in dem er selbst Regie geführt habe. Und es wäre sein Lieblingsfilm nicht deswegen, weil der Film so ausgesprochen gut wäre – denn das sei er nicht -, sondern weil er bei diesem Film unglaublich viel gelernt habe – über das Filmemachen und auch über das Leben, das Schließen von Kompromissen und die Konsequenzen, die es habe. Das erläutert er, indem er erzählt, wie er ursprünglich ein ganz anderes Konzept für den Film im Kopf hatte, das dann aber Schritt für Schritt durch Zugeständnisse und Kompromisse, die er eingehen mußte, aufgegeben wurde, so daß schließlich der eher mäßige Film entstand, den wir alle kennen. Mir erscheint diese Bereitschaft, sich selbst und das Erreichte realistisch einzuschätzen, aber auch die Lehren daraus zu ziehen und trotzdem seinen eigenen Weg zu gehen, überaus sympathisch.
Als Shatner schließlich sein Panel beendet, richtet er noch einige abschließende Worte des Abschieds an uns Fans im Saal, da er an der nachfolgenden Closing Ceremony nicht mehr würde teilnehmen können. Als er dann die Bühne verläßt, stehen alle im Saal wieder auf und verabschieden ihn mit stehenden Ovationen. Schön, daß er da war. Das war ein wunderbares Erlebnis.
Die abschließende Closing Ceremony bildet dann einen würdigen Abschluß für diese einundzwanzigste FedCon. Alle Vortragenden und Stars kommen nacheinander noch einmal auf die Bühne und werden von uns Fans gebührend verabschiedet und gefeiert. Es hat allen sichtlich Spaß gemacht, sowohl denen vor als auch denen auf der Bühne. Als dann alle abgehen, verlasse auch ich den Saal. Ich muß meinen Zug erreichen, der mich noch am Abend zurück nach Hause bringen wird. Dadurch habe ich noch keine Zeit, dem Con-Blues zu verfallen. Der ereilt mich erst, als ich wieder im ICE nach Berlin sitze, der diesmal weitestgehend pünktlich unterwegs ist, da kein Polizeieinsatz alles durcheinander bringt.
Es war eine wunderbare Convention. Nun freue ich mich auf die nächste. Vom 9. bis zum 12. Mai 2013. Bis dann.
Ich stehe auf dem Berliner Hauptbahnhof und warte auf meinen Zug. Der Bahnsteig ist voller Menschen. Sie warten wie ich. Langsam rückt die Abfahrtszeit näher. Auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig stehen lauter Polizisten in voller Kampfmontur. Sie stehen herum, laufen mal hierhin, mal dorthin und stehen, am Ziel angekommen, wieder herum. Alles in allem wirken sie ziemlich planlos. Was sie da suchen oder tun, kann ich nicht erkennen. Genaugenommen ist es mir auch egal. Ich will ja gleich abfahren.
Wenige Augenblicke später stelle ich fest, daß es mir nicht egal ist. Eine Durchsage setzt mich davon in Kenntnis, daß mein Zug wegen eines Polizeieinsatzes verspätet eintreffen wird. Aufgehalten auf dem kurzen Stück vom Ostbahnhof bis hierher. Das geht ja gut los. Während ich gemeinsam mit den anderen Passagieren warte, lungern die Polizisten weiter auf dem anderen Bahnsteig herum. Dann plötzlich viel Bewegung. Ohne erkennbaren Grund verlassen sie den Bahnsteig und ziehen ab. Mein Zug kommt trotzdem nicht.
Warten. Eine weitere Durchsage erklärt, ein Zug, der auf dem anderen Bahnsteig einfahren sollte, werde auf unseren verlegt. Bevor er eintreffen kann, erläutert eine weitere Durchsage, daß die Verlegung zurückgenommen worden sei. Dafür wird für einen anderen Zug der Totalausfall verkündet. Wegen des Polizeieinsatzes komme der hier heute gar nicht vorbei. Als ich gerade unruhig werden will, fährt plötzlich mein ICE ein. Puh. Glück gehabt.
Wenig später sitze ich auf meinem Platz und der Zug setzt sich in Bewegung. Es geht endlich los. Oder auch nicht, denn kurze Zeit später stehen wir schon wieder. Auf freier Strecke auf der Stadtbahn. Offenbar hat die Polizei alles durcheinandergebracht. Muß ja ein wichtiger Einsatz sein. Als es schließlich weitergeht und mein Zug in Berlin-Spandau eintrifft, hat er bereits vierzig Minuten Verspätung. Klar, daß er die nicht mehr aufholt, sondern im Laufe der weiteren Fahrt noch ausbaut.
Als ich schließlich an meinem Zielort Düsseldorf eintreffe, ist die Verspätung auf mehr als eine Stunde angewachsen. Glücklicherweise macht mir das nicht sonderlich viel aus, denn ich kann ganz entspannt sein – ich bin schließlich nicht dienstlich unterwegs und habe heute auch keinen Termin mehr. Ich muß nur noch in mein Hotel und mein Zimmer beziehen. Das Ereignis, dessentwegen ich hierher nach Düsseldorf gekommen bin, beginnt erst am folgenden Tag – ein Ereignis, dem jedes Jahr bestimmt hunderte oder gar tausende Fans entgegenfiebern. Und ich bin da keine Ausnahme! Denn dieses Ereignis sucht hierzulande seinesgleichen: die FedCon, Europas größte Star-Trek- und Science-Fiction-Convention.
17. Mai, 13 Uhr.
Ich treffe auf dem Con-Gelände ein. Nun, Gelände ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Sagen wir Veranstaltungsort. Es ist das Maritim-Hotel am Düsseldorfer Flughafen. Ich kenne mich hier bereits aus, weiß, wie alles abläuft. Ich bin schließlich bereits zum elften Mal auf der Convention, da darf ich mich wohl schon zu den Routiniers zählen, auch wenn ich mit manchen alten Hasen, die mindestens schon seit der vierten Con dabei sind, natürlich nicht mithalten kann. Meine erste FedCon war die zehnte. Seitdem bin ich jedes Jahr dabeigewesen. (Für die, die jetzt nachzählen und sich wundern: eine FedCon XIII hat es nie gegeben.)
Zuerst also die Anmeldung. Meine Buchungsbestätigung habe ich dabei – ohne die geht hier nichts. Naja, vielleicht doch, aber das auszuprobieren, spare ich mir lieber. Da ich mir ein Gold-Ticket geleistet habe, ist die Anmeldung schnell erledigt, denn für die sogenannten Goldies wurde ein eigener Anmeldebereich eingerichtet, an dem aber gerade keine Schlange steht. Ich bin also sofort dran. Buchungsbestätigung vorzeigen, Ausweis auch – alles ok, meine Anmeldung ist vorhanden und schnell gefunden. Ich bekomme meine Tasche ausgehändigt, in der alles ist, was ich für die Con brauche: FedCon-Guide, Programmzettel, Hinweisblatt für Gold-Ticket-Inhaber, diverse Flyer und Werbezettel und – in diesem Jahr auch sämtliche Merchandise-Artikel. Und dann finde ich noch ein DVD-Paket in meiner Tasche: sämtliche Star-Trek-Filme. Nette Zugabe. Zum Abschluß bekomme ich noch das Bändchen an mein Handgelenk gebunden, daß ich jetzt die nächsten vier Tage nicht abnehmen darf. Anmeldung geschafft.
Auf eine Erkundungstour verzichte ich erstmal – einerseits, weil ich von den vorangegangenen Conventions schon weiß, wie’s hier so zugeht, andererseits, weil ich dafür in den kommenden vier Tagen noch genug Zeit haben werde. Um 13.30 Uhr muß ich im Hauptsaal sein, da beginnt das erste Panel (so werden die Auftritte der Stargäste auf der Con bezeichnet), das ich mir nicht entgehen lassen möchte.
Jeder hat seine eigenen Prioritäten, warum er oder sie zur Convention kommt. Für mich ist das Interessanteste an der Con stets, die Stars meiner Lieblingsserien oder -filme zu treffen, ihren Erzählungen aus ihrem Leben zuzuhören, Geschichten vom Set zu erfahren. Die Möglichkeit, sich von jedem ein Autogramm zu holen, kommt natürlich meiner Sammelleidenschaft entgegen. Und sich mit anderen Fans über die Panels, die Serien und Filme oder wer weiß was zu unterhalten, gehört natürlich auch dazu.
Und an diesem ersten Tag werde ich sozusagen von Beginn an in den Con-Bann geschlagen. Ich habe das Gefühl, einzutauchen in eine ganz eigene Welt. Hier muß niemand niemandem erklären, was er an Science-Fiction-Serien toll findet, hier findet das niemand unverständlich, merkwürdig, komisch, hier ist das normal. Von nun an läuft die Zeit irgendwie anders – was allerdings leider auch heißt, daß sie zu schnell vergeht. Gerade bin ich doch erst angekommen, da habe ich auch schon die Panels von Virginia Hey (Pa’u Zotoh Zhaan in „Farscape“) und Teryl Rothery (Dr. Frazier in „Stargate SG-1), die alle beide unglaublich sympathisch sind, erlebt und mir den Vortrag von Richard Arnold angehört, der langjähriger Star-Trek-Experte ist und mit Gene Roddenberry, dem Schöpfer von Star Trek, noch persönlich zusammengearbeitet hat. Sein Vortrag zum 25. Jubiläum von „Star Trek – The Next Generation“ war jedenfalls wahrhaft interessant, was nicht zuletzt an den zahlreichen, hinter den Kulissen aufgenommenen Fotos aus der Entstehungszeit der Serie lag, die er präsentierte. Und dann verrät er uns auch noch etwas über den neuen Star-Trek-Film: „Do you want to know what the new Star Trek movie is about? – It’s about two hours.“
Nicht vergessen darf ich natürlich Kai Owen (Rhys Williams in „Torchwood“), bei dessen Panel ich aus dem Lachen kaum herauskomme. Ein wirklich ulkiger Typ. Und dann ist es auch schon Zeit für die offizielle Opening Ceremony. Garrett Wang, der einst den nie beförderten Ensign Harry Kim in „Star Trek – Voyager“ spielte, ist seit einigen Conventions der Master of Ceremonies – eine Rolle, die er in meinen Augen kongenial ausfüllt. Möge er der Con noch manche Jahre erhalten bleiben. Nacheinander bittet er alle Gaststars auf die Bühne, die die Convention in diesem Jahr mit ihrer Anwesenheit beehren. Und einer wie der andere, egal, ob sie große Hauptrollen gespielt haben oder „nur“ Gaststars in ihrer jeweiligen Serie waren, wird von den Fans im Saal frenetisch begrüßt und bejubelt. Die Stimmung ist grandios und wird es die nächsten drei Tage definitiv bleiben.
Als allerdings am Ende der Opening Ceremony klar wird, daß Captain Kirk nicht anwesend ist, werden einige Fans in meiner näheren Umgebung unruhig. Sie machen sich schon Sorgen, daß er abgesagt haben könnte. Doch über Twitter erreicht uns bald die erlösende Nachricht, daß diesbezüglich keinerlei Gefahr besteht – William Shatner wird am Sonnabend eintreffen.
Den Abschluß meines ersten Con-Tages bestreitet dann Gates McFadden (Dr. Crusher in „Star Trek – The Next Generation“) mit ihrem Panel im unmittelbaren Anschluß an die Opening Ceremony. Es ist mir kaum möglich, hier alles wiederzugeben, was an interessanten Geschichten in all den Panels, die ich an diesem Wochenende erlebt habe, erzählt und was an interessanten Gedanken geäußert wurde. Bei Gates McFadden ist mir allerdings eine Äußerung besonders im Gedächtnis geblieben, die sie während dieses Panels im Rückblick auf ihre künstlerische Karriere machte: „Ich habe mit Jim Henson und Gene Roddenberry gearbeitet. Wieviel besser kann man es treffen?“ (frei übersetzt). Wenn ich in späteren Jahren auch einmal so zufrieden auf meine berufliche Laufbahn zurückblicken könnte, das wäre wunderbar…
18. Mai, 8 Uhr.
Dieser Tag beginnt in einer Schlange. Als ich im Con-Hotel eintreffe, sehe ich sie sofort, denn sie ist lang. Sehr lang. Definitiv zu lang. Und ich weiß, daß ich mich da jetzt anstellen muß. Ich hätte wohl früher aufstehen sollen. Und so unglaublich es klingt – am Ziel dieser Schlange gibt es nichts als einen simplen Zettel. Doch dieser Zettel ist für alle, die hier stehen, Gold wert. Es ist die Anmeldebestätigung für die nächste FedCon – die 22. im Jahr 2013. Und weil das auch für mich gilt, bin ich kurz darauf ein Teil dieser Schlange.
Eigentlich gibt es nun für eine Weile nichts mehr zu berichten. Es dauert mehr als zwei Stunden, bis ich endlich dran bin und meinen Anmeldeschein abgeben kann – ausgefüllt habe ich ihn bereits in meinem Hotel. Keine Minute später ist alles erledigt und ich halte meine Anmeldebestätigung in der Hand. Da die fortlaufend numeriert sind, kann ich mitbekommen, daß bereits über fünfhundert Anmeldungen für normale Wochenendtickets und über vierzig für Goldtickets eingegangen sind, als ich an der Reihe bin. Und die Schlange nach mir ist noch lange nicht zu Ende. Damit dürfte die nächste Con ja gesichert sein…
Jetzt habe ich einige Zeit übrig, um meine Erkundungstour nachzuholen. Ich bummle durch den Händlerraum – im wesentlichen sind dieselben Händler da wie jedes Jahr. Ein Flohmarkt für Science-Fiction-Fans. Hier gibt es alles, was man sich so vorstellen kann. Und manches, was man sich nicht vorstellen kann. Fotos mit und ohne Autogramme, Bücher, DVDs, Uniformen aus den Serien und Filmen, Action-Figuren, Sticker, Raumschiff- und andere Modelle, Zeichnungen, Grafiken, Comics, Zeitschriften, Laserschwerter (natürlich nur Attrappen), … Weiter geht’s durch die Ausstellungsräume. Zeichnungen, Modelle und vieles andere mehr werden hier gezeigt, die alle eines gemeinsam haben: sie wurden von Fans geschaffen, die sie hier anderen Fans präsentieren.
Dann habe ich es aber auch schon wieder eilig – die nächste Schlange wartet auf mich. Ein Autogramm von Richard Dean Anderson – gemeinhin bekannt als MacGyver und natürlich auch Captain Jack O’Neill aus „Stargate SG-1“ – ist nun das selige Ziel meines Wartens. Da ich diesmal früh genug da bin, ist die Schlange noch nicht lang. Natürlich bedeutet das aber auch, daß die Autogrammstunde noch gar nicht begonnen hat, also muß ich trotzdem eine ganze Weile warten. Als es dann losgeht, bin ich dafür schön schnell an der Reihe.
Eine Kunst, die man auf der Convention definitiv beherrschen muß, ist die der Selbstorganisation. Das beinhaltet zunächst einmal, sich einen Plan nach den eigenen Interessen zusammenzustellen, welche Veranstaltung man wann besuchen möchte – natürlich für jeden einzelnen Tag. Dieser Plan ist dann mit den Autogrammstunden abzugleichen – wenn man denn Autogramme möchte. Denn neben der offiziellen Autogrammstunde, während der keine Panels (wohl aber Vorträge) stattfinden, weil die Stars ja alle beschäftigt sind, gibt es hier und da noch zusätzliche Autogrammstunden einzelner Stars. Und schließlich muß man sich dafür dann auch noch ausreichend vorbereiten. Geht man nämlich in so eine Autogrammstunde, dann sollte man vorher zwei Dinge beschafft haben: das Medium, auf dem man das Autogramm gerne hätte – ein Foto, ein T-Shirt, ein Buch oder sonstwas – und natürlich den Autogrammgutschein, der einen berechtigt, das Autogramm zu erhalten. Fotos bekommt man meist noch in der Autogrammstunde – allerdings ist da die Auswahl sehr viel kleiner als beispielsweise am Merchandising-Stand oder im Händlerraum. Ohne Autogrammgutschein geht allerdings gar nix. Hat man den nicht dabei, hat man umsonst angestanden. Als Gold-Ticket-Inhaber war ich diesbezüglich natürlich halbwegs fein raus – ein solches Ticket beinhaltet ein Autogramm von jedem Star. Fotos für die Autogramme hatte ich bereits am Tag zuvor erworben.
Die Preise für die Autogramme sind ein oft diskutiertes Thema im Zusammenhang mit der Convention. Und nicht selten wird den Organisatoren Geldschneiderei vorgeworfen. Meist beginnen die Preise für ein Autogramm bei 20 € (das Foto nicht eingerechnet) und können – je nach Star – bis zu 120 € ansteigen. Am Ende glaube ich allerdings nicht, daß dies darin begründet liegt, daß die Organisatoren einen ordentlichen Reibach machen wollen. Viele der Helfer auf der Convention arbeiten ehrenamtlich, also ohne Bezahlung, und auch die Organisatoren sind nach dem, was auf der Convention so mitzubekommen ist – viele davon trifft man ja dort auch an – eine Truppe von eingeschworenen Fans, die diese Veranstaltung für andere Fans ins Leben gerufen haben. Auch ohne Einblick in die Kostenstrukturen für so eine Convention kann ich mir jedoch überlegen, daß gerade die großen Stars für ihr Erscheinen auf so einer Convention einiges kosten dürften. Ich könnte mir auch vorstellen, daß manche der nicht ganz so großen Stars auch direkt über die Autogrammeinnahmen finanziert werden, d.h. sie bekommen die Einnahmen aus ihren Autogrammen und keine Gage. Und schließlich glaube ich auch nicht, daß sich die Kosten für die Fans auf Conventions anderswo auf der Welt wesentlich anders gestalten. Und letztlich handelt es sich bei all dem doch nur um puren Luxus, den wir uns als Fans leisten. Wieviel sich dann jeder leisten will, muß er oder sie selbst entscheiden.
Sich ein Autogramm zu holen, das kann von Star zu Star ein ganz unterschiedliches Erlebnis sein. Man kann mit einem freundlichen Handschlag begrüßt werden – mir so geschehen bei Erick Avari (Kasuf aus „Stargate SG-1“). Manchmal wird man auch in ein Gespräch verwickelt, wie es mir bei der überaus sympathischen Felicia Day (Vi in „Buffy – Im Bann der Dämonen“ und Dr. Holly Martens in „Eureka“) sowie bei Virginia Hey passiert ist. Manche sind freundlich, aber ein wenig distanziert – ein Eindruck, den Gates McFadden bei mir hinterließ. Und manchmal hat man auch Pech und wird fast ignoriert, wie es mir dieses Mal leider bei Jonathan Frakes (Commander William Riker in „Star Trek – The Next Generation“) widerfuhr. Zu seiner Ehrenrettung muß ich allerdings hinzufügen, daß er auch gerade von jemand anderem hinter seinem Tisch abgelenkt wurde und mir auf einer früheren Convention auch schon wesentlich aufmerksamer begegnete. Manche Stars fragen einen nach dem Namen – und das nicht nur, um eine Widmung auf das Foto zu setzen -, manche muß man manchmal fast dazu nötigen, mehr als nur ihren Namen zu schreiben. Meist unterlasse ich derartiges dann allerdings.
All diese Eindrücke werde ich allerdings erst einen Tag später in der offiziellen Autogrammstunde erwerben. Richard Dean Anderson, an dessen Tisch ich nun gerade stehe, gehört definitiv zu den Schauspielern, die ihren Fans offen und freundlich entgegenkommen. Auch er verwickelt mich in ein kleines Gespräch über das Crew-Foto, das ich ihm zum Signieren vorgelegt habe, wünscht mir viel Erfolg beim Zusammentragen der anderen Unterschriften seiner Serienkollegen und schreibt mir auf das andere Bild noch eine persönliche Widmung. Ich glaube, ich komme mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen wieder aus dieser Autogrammstunde heraus…
Nun ist es Zeit, schnell wieder in den großen Saal zu gehen, denn dort sollen nun einige Panels stattfinden, die mich brennend interessieren. Den Anfang macht Eddie Paskey, der Lt. Leslie in der originalen Star-Trek-Serie spielte. Er ist mittlerweile natürlich viele Jahre älter und gilt als der Mann, der in fast jeder Folge der klassischen Star-Trek-Serie mitwirkte. Und das als sogenanntes Red-Shirt! Da ist es natürlich umso lustiger, daß er auf der Bühne auch ein rotes Shirt trägt. Seine Erzählungen über die Arbeit an der klassischen Serie und natürlich über William Shatner, dessen Stand-in er neben seiner Rolle als Lt. Leslie auch noch war, sind für jeden Star-Trek-Fan ausgesprochen interessant. Schön finde ich auch die Art und Weise, wie Garrett Wang dieses Panel begleitet, es moderiert und selbst auch passende Fragen stellt.
Der Nachmittag vergeht schnell in den Panels von Matthew Bennett (Cylon Number Five in „Battlestar Galactica“) und Erick Avari. Letzterer beeindruckt mich sehr mit seiner Äußerung, daß er nach dem 11. September 2001 feststellen mußte, daß vermehrt Filme oder Serien gedreht wurden, in denen mehr oder weniger offen Krieg propagiert wurde, und daß er Rollen in derartigen Produktionen stets ablehnte, da die Bezahlung für solche Rollen für ihn „blood money“ darstellte.
Der Abend gehört dann einer Folge von vier Panels, die allesamt absolute Höhepunkte sind. Die erste Hälfte steht ganz im Zeichen von Star Trek, denn zuerst tritt Walter Koenig (Pavel Checkov in der originalen Star-Trek-Serie) auf, gefolgt von Jonathan Frakes. Das Panel von Koenig verläuft noch eher ruhig – immerhin ist der Darsteller auch schon weit über 70 Jahre alt – und endet mit der Aufführung seines sehr bewegenden Kurzfilms „Handball“. Als dann Jonathan Frakes die Bühne betritt, passiert genau das, was immer geschieht, wenn er da ist. Es dauert keine fünf Minuten, und der Saal brüllt vor Lachen. Und daran ändert sich praktisch das gesamte Panel über nichts. Sein in den Saal geschmettertes „Volaaare“ ist quasi schon sein Markenzeichen – und natürlich machen alle im Saal mit. Als Fragesteller an einem der Saal-Mikrofone muß man es allerdings mögen, im Mittelpunkt zu stehen und Gegenstand von Lachern zu sein – denn Frakes ist da auf eine gutmütige Art gnadenlos. Fans diskutieren mittlerweile im Forum des Star-Trek-Fanclubs goldene Regeln für ein Jonathan-Frakes-Panel.
Richard Dean Andersons Panel, das im Anschluß folgt und den Übergang vom Star-Trek- zum Stargate-Abend einleitet, ist mindestens genauso unterhaltsam und lustig, wenn auch auf eine andere Art. Sein Humor ist feiner und hintersinniger als der von Frakes, der manchmal etwas brachial daherkommt. Dennoch steht seine Panel-Stunde der seines Vorgängers in keiner Weise nach. Als sie sich schließlich dem Ende neigt und er von einem Fan gefragt wird, wie er denn angesichts dessen, daß man Star-Trek-Fans auch als Trekkies bezeichnet, Stargate-Fans nennen würde, ist es einfach unbezahlbar, seiner Mimik zuzusehen, als er vorgibt, darüber nachzudenken, und schließlich mit der Antwort „Gaters?“ pariert.
Den Abschluß des Tages bildet dann Joe Flanigan, Darsteller des Lt. Colonel John Sheppard in der Serie „Stargate Atlantis“. Bei der Eröffnungszeremonie am Vortag hatte er genau wie Jonathan Frakes und William Shatner noch gefehlt, doch nun steht er vor uns auf der Bühne. Für mich ist das insofern ein kleines Highlight, als Flanigan zwar schon auf der FedCon XIX Stargast war, ich ihn da aber noch gar nicht wirklich wahrgenommen hatte, da ich zu diesem Zeitpunkt die Serie nicht kannte. Das ist nun anders, und so bin ich sehr begeistert, seinen Erzählungen zuzuhören.
Tja, und dann ist der zweite Tag auch schon wieder vorbei. Und ich habe nun die absolute Gewißheit, daß die Zeit auf der Con schneller läuft als anderswo…
A good traveller has no fixed plans and is not intent on arriving. (Lao Tzu)