Was für ein wundervoller Abend!
Das Konzerthaus Berlin griff Weihnachten ein wenig vor, als es heute abend die Teile 1 bis 3 sowie 6 des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach zur Aufführung brachte. Der Abend begann für mich und andere Interessierte mit einer ausgezeichneten Konzerteinführung von Dr. Dietmar Hiller, seines Zeichens Dramaturg am Berliner Konzerthaus. Auf sehr mitreißende und Begeisterung vermittelnde Weise erzählte Dr. Hiller die Vorgeschichte der Entstehung des Weihnachtsoratoriums und wie Bach Teile seines eigenen, früheren Schaffens dafür wiederverwendete und umarbeitete. All das würzte er mit vielen Tonbeispielen, was uns Zuhörern das Werk lebendig nahebrachte und uns bestens darauf einstimmte. Eine großartige Idee!
Was mir zwar nicht völlig unbekannt war, was ich jedoch andererseits so genau auch wieder nicht wußte, war, daß die ersten drei Teile des Oratoriums für die Aufführung an den Weihnachtsfeiertagen entstanden, von denen es früher drei gab, während der letzte Teil dem 6. Januar vorbehalten blieb, an dem das Epiphaniasfest gefeiert wurde. In der Adventszeit hingegen waren zu Bachs Zeiten jegliche Aufführungen dieser Art völlig unüblich, sollte diese Zeit doch eine stille sein. Nun, das interessiert in dieser unserer durchkommerzialisierten, „Event“-süchtigen Zeit ja sowieso kaum noch jemanden. Heutzutage scheint Weihnachten ja längst das Fest des Kommerzes zu sein. Doch ich schweife ab…
Wenn diese Aufführung des Weihnachtsoratoriums also auch mitten in die stille Adventszeit fiel, so war dies doch ein – bezogen auf Bachs Zeiten – Tabubruch, an dem es wahrlich nichts auszusetzen gab. Hier wurde Kultur in Reinform geboten, und das in künstlerischer Perfektion, soweit das meine Laienohren zu beurteilen verstanden.
Neben den Solisten Gesine Adler (Sopran), Susanne Langner (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Tobias Berndt (Baß) sang der Thomanerchor Leipzig und spielte das Konzerthausorchester Berlin. Das weckte natürlich Erwartungen – und sie wurden, was mich betrifft, nicht enttäuscht. Ach, was sag ich – sie wurden übertroffen! Es war ein wirklich zauberhafter Abend, der jede einzelne Minute investierter Zeit mehr als wert war. Am Ende gab es lang andauernden Applaus für das gesamte Ensemble. Und was ich besonders schön fand: Musiker und Chorsänger, die im Laufe der Aufführung bei einzelnen Stücken besondere Leistungen bei herausgehobenen Passagen hatten erbringen müssen, wurden vom Publikum mit hochverdientem Extra-Applaus bedacht.
Alles in allem war dieser Abend eine schöne Einstimmung auf eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit – und um ein Vielfaches lohnender, als es jedes dem Kommerzwahn entrissene Geschenk sein könnte…